Ruhrbistum arbeitet Missbrauch auf
Eine Studie soll klären, wie man in Essen mit Tätern und mit Betroffenen umging.
ESSEN (epd) Mit einer neuen wissenschaftlichen Studie will das Bistum Essen herausfinden, welche strukturellen Hintergründe sexuellen Missbrauch begünstigt haben. „Das ist der nächste Schritt der Aufarbeitung“, sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck am Freitag. Das auf zwei Jahre angelegte Forschungsprojekt solle Strukturen, Verhaltensmuster und Fehler von Verantwortlichen im Bistum seit seiner Gründung aufdecken. „Wir wollen verstehen, um zu verändern und um Missbrauch in Zukunft zu verhindern“, sagte der Bischof.
Beauftragt mit der Untersuchung wurde das Münchener Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP). Es war unter anderem an entsprechenden Studien über die Odenwaldschule und das Gymnasium
des Klosters Ettal beteiligt. Für die Studie im Ruhrbistum wollen die Wissenschaftler nicht nur Akten sichten, sondern auch Interviews mit Betroffenen, Tätern, Beschuldigten und weiteren Zeitzeugen führen, wie IPP-Geschäftsführerin Helga Dill erläuterte. Zu ausgewählten Missbrauchsfällen sollen so Tiefenanalysen erstellt werden, um herauszuarbeiten, wie die Bistumsverantwortlichen mit Hinweisen auf Missbrauch verfahren sind und wie mit Betroffenen umgegangen wurde.
Auch die Wirkungen von Missbrauchsvorwürfen auf Kirchengemeinden sollten beleuchtet werden, sagte Dill. Erfahrungen hätten gezeigt, dass es oft eine unverabredete „Kultur des Schweigens“gegeben habe, an der sich alle beteiligt hätten.
Ziel der wissenschaftlichen „Tiefenbohrungen“sei es, über die reinen Fallzahlen der Missbrauchs-Studie der Deutschen Bischofskonferenz hinaus zu verstehen, was Missbrauch systemisch begünstigt habe, sagte Generalvikar Klaus Pfeffer. Daraus wolle man Konsequenzen ziehen. „Wir brauchen eine komplette Kulturveränderung“, sagte Pfeffer.
Im Bistum Essen haben sich bisher 97 Betroffene gemeldet. Beschuldigt wurden bisher 63 Priester, 19 wurden wegen sexuellen Missbrauchs juristisch verurteilt, bei einem läuft derzeit noch ein straf- und ein kirchenrechtliches Verfahren.
Für die Studie suchen die Wissenschaftler noch Betroffene aus dem Ruhrbistum, die sich bisher noch nicht gemeldet haben und die zu Interviews bereit sind.