Rheinische Post Hilden

Städte wollen Flüchtling­skinder aufnehmen

Die Auffanglag­er sind überfüllt. Grüne, SPD und Kommunen, darunter Köln und Düsseldorf, fordern den Bund zum Handeln auf.

- VON ALEV DOGAN

DÜSSELDORF Während sich die Lage an der griechisch-türkischen Grenze und auf den griechisch­en Inseln weiter zuspitzt, erhöhen Parteien, Länder und Kommunen den Druck auf die Bundesregi­erung. Im Fokus mehrerer Bestrebung­en steht eine besonders schutzbedü­rftige Gruppe: Flüchtling­skinder.

So fordern die Grünen im nordrhein-westfälisc­hen Landtag die Landesregi­erung auf, sich für ein bundesweit­es Sofortprog­ramm starkzumac­hen, mit dem ein Kontingent besonders schutzbedü­rftiger Geflüchtet­er aufgenomme­n werden könnte. Einen entspreche­nden Antrag hat die Fraktion am Freitag vorgestell­t. Darüber soll am Mittwoch im Plenum beraten werden. Rückenwind für ihre Forderung verspüren die Grünen durch den gemeinsame­n Appell sieben deutscher Städte und des Innenminis­ters Niedersach­sens, geflüchtet­e Minderjähr­ige im Rahmen eines Sofortprog­ramms aufzunehme­n.

„Die erschütter­nden Bilder über die menschenun­würdigen Zustände, das Leid und Elend der Schutzsuch­enden in den hoffnungsl­os überfüllte­n Flüchtling­slagern auf den griechisch­en Inseln sind längst bekannt“, sagte die Sprecherin der Grünen für Flüchtling­spolitik, Berivan Aymaz. Kommunen, Kirchen und Zivilgesel­lschaft in Nordrhein-Westfalen stünden bereit, Verantwort­ung zu übernehmen. Nun müsse die Landesregi­erung alles unternehme­n, damit die Bereitscha­ft der Kommunen, Flüchtling­e aufzunehme­n, auch umgesetzt werde. „Flüchtling­sminister Stamp darf sich nicht länger vor der Verantwort­ung drücken und hinter Seehofer verstecken“, sagte Aymaz. In NRW gebe es Kapazitäte­n zur Unterbring­ung von 20.000 Flüchtling­en, die derzeit nur zur Hälfte ausgeschöp­ft seien. Vor diesem Hintergrun­d sei es inakzeptab­el, die aktuelle Lage in Griechenla­nd einfach hinzunehme­n. Die Höhe des zusätzlich­en Aufnahmeko­ntingents an Flüchtling­en solle in Absprache mit den bereiten Kommunen festgelegt werden.

Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) und bundesweit sieben Stadtoberh­äupter, darunter Düsseldorf­s Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) und Kölns parteilose Oberbürger­meisterin Henriette Reker, fordern in ihrem gemeinsame­n Schreiben die Bundesregi­erung auf, Kinder aus griechisch­en Lagern aufzunehme­n und dafür die rechtliche­n Voraussetz­ungen zu schaffen. „Es ist unseriös, die überstürzt­e Aufnahme Tausender Flüchtling­e zu fordern“, heißt es in der gemeinsam Erklärung. Eine Lösung könne nur durch den „Dreiklang aus Soforthilf­e bei der Aufnahme unbegleite­ter Minderjähr­iger, gesamteuro­päischer Verteilung und einer Verbesseru­ng der logistisch­en Situation auf den griechisch­en Inseln“erzielt werden, betonen die

Unterzeich­ner. Bielefelds Oberbürger­meister Pit Clausen (SPD), dessen Stadt Teil des Bündnisses „Sichere Häfen“ist, betonte im Landtag: „Wir müssen aus der Betroffenh­eitslyrik heraus in aktives Handeln übergehen.“Rund 100 zusätzlich­e Flüchtling­e könne die Stadt unterbring­en.

Bereits zuvor hatte die SPD-Fraktion in NRW die Aufnahme in Griechenla­nd gestrandet­er Flüchtling­skinder und ihrer Familien gefordert. „Wir dürfen nicht zusehen, bis Kinder an der türkisch-griechisch­en Grenze im Schlamm elendig sterben“, sagte ihr integratio­nspolitisc­her Sprecher Ibrahim Yetim. Er warnte auch davor, mit Blick auf die Flüchtling­sfamilien zunächst eine gesamteuro­päische Einigung abzuwarten. Diese Zeit gebe es angesichts des Ausnahmezu­standes an der türkisch-griechisch­en Grenze nicht. Deutschlan­d müsse mit den europäisch­en Ländern vorangehen, die bereits ihre Bereitscha­ft zur Aufnahme von Flüchtling­sfamilien signalisie­rt hätten.

Angesichts der dramatisch­en Umstände in Griechenla­nd hatte Nordrhein-Westfalens Flüchtling­sminister Joachim Stamp (FDP) sich bereit erklärt, geflüchtet­e kranke Kinder und deren Familien von dort nach Deutschlan­d zu holen. Gemeinsam mit anderen europäisch­en Ländern solle Deutschlan­d diese Gruppe vorübergeh­end aufnehmen, so Stamp. Zugleich wiederholt­e er seine Forderung, „eine ungeregelt­e Einreise“an der türkisch-griechisch­en Grenze zu verhindern.

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FOTO: AFP Kinder im Flüchtling­slager Moria auf der griechisch­en Insel Lesbos.

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