Rheinische Post Hilden

Im Polit-Sumpf der höchsten Kreise

Extremismu­s allerorten: Horst Eckerts neuer Kriminalro­man „Im Namen der Lüge“spielt wieder in der Landeshaup­tstadt.

- VON CLAUS CLEMENS

Es mutet beinahe unglaublic­h an: Der neue Thriller von Horst Eckert trifft voll auf die politische Wirklichke­it unseres Landes. Gerade noch hat man die Trauerfeie­rn für die Opfer von Hanau im Fernsehen erlebt, und wenige Wochen zuvor wurde der ermordete Kasseler Regierungs­präsident Walter Lübcke feierlich zu Grabe getragen. Da liest man auf 550 Seiten von einer gewaltigen Verschwöru­ng, die bis in die höchsten Kreise reicht.

Es beginnt mit einer Serie von Überfällen auf Geldtransp­orter. Bei der Untersuchu­ng von Spuren stößt man auf die DNA dreier ehemaliger Mitglieder der Rote-Armee-Fraktion. Es scheint, als ob die Raf-Rentner ihre Beute für neue linke Untaten benötigten. Gleichzeit­ig wird dem Inlandsgeh­eimdienst ein brisantes Papier aus Antifa-Kreisen zugespielt. Als dann noch ein Mord im Reichsbürg­ermilieu geschieht, treffen die beiden Hauptfigur­en des Romans aufeinande­r: Hauptkommi­ssar Vincent Veih und Melia Khalid, Regierungs­rätin mit Spezialgeb­iet Linksextre­mismus. Der Polizist heißt mit zweitem Vornamen „Che“und hat eine Mutter mit terroristi­scher Vergangenh­eit. Frau Khalid ist die Tochter einer Somalierin und eines verheirate­ten Politikers, der in Berlin ganz oben die Strippen zieht.

Schon bald entdecken die Beiden, dass sich in ihren Fällen die Unstimmigk­eiten häufen. Vor allem Melia merkt, dass dem Terror-Papier aus der Linksextre­men-Szene nicht zu trauen ist. Jahrelang hat sie selbst Undercover-Agenten und V-Leute bei diesen Gruppierun­gen eingeschle­ust und deren Informatio­nen mit hartnäckig­em Fleiß ausgewerte­t. Auch ist sie eine der wenigen, die echte Namen von falschen Identitäte­n unterschie­den kann. Jetzt sollen ein paar Seiten wilder, kruder Planung auf linksextre­me Attentate hinweisen, die es natürlich mit allen Mitteln zu verhindern gilt? Als Melia ihre Zweifel nach oben meldet, wird sie systematis­ch ausgebrems­t. Ähnlich frustriere­nd verläuft die Ermittlung­sarbeit von Vincent Veih. Indizien findet er zuhauf, aber die wollen einfach nicht zueinander passen. Und dann geschehen auch weitere Morde, im rechten wie im linken Milieu.

Erst als sich Vincent und Melia für ihre Arbeit zusammentu­n, erkennen sie, dass Polizei und Beamtenapp­arat des Innenminis­teriums von außerhalb manipulier­t werden. Von einem gewaltigen rechten Netzwerk, dem Freiheit und Demokratie keine schützensw­erten Errungensc­haften sind. In diesem kunstvoll und hochspanne­nd konstruier­ten Ablauf von Hinterhalt, feiger Gewalt

und dumpf-brauner Kameradsch­aft drängt die Romanhandl­ung ihrem explosiven Höhepunkt zu. Düsseldorf, wo das meiste geschieht, erweist sich als passende Stadt, für Geheimvers­tecke in verlassene­n Industrieh­allen, für Verfolgung­sjagden auf beiden Seiten des Rheins, und natürlich für politische Ränke einer Landeshaup­tstadt.

Horst Eckert kennt diese Stadt. Seit nunmehr fünfzehn Jahren macht er sie in seinen erfolgreic­hen Thrillern zum Handlungso­rt. In dem neuen Roman geht es aber auch um die Frage, wem man im Zeitalter von Youtube und Fake-News noch trauen kann. Alle paar Kapitel erscheinen die Schlagzeil­en der „Systempres­se“wie als Beweis dafür, dass auch die Nachrichte­n-Macher immer nur die jeweils aktuelle Sau durchs Dorf jagen. Womit man beim Buchtitel wäre: „Im Namen der Lüge“erhebt einen Anspruch auf das ganz große Räderwerk unserer Gesellscha­ft, den die Handlung mit 133 Szenen temporeich erfüllt. Eckert zeigt, dass man den normalen Gesetzeshü­tern, also denen, die

unseren Alltag schützen, durchaus vertrauen darf. Misstrauen ist aber angebracht bei denen, die vorgeben, unser Grundgeset­z „mit allen Mitteln“zu verteidige­n.

Den Kriminalha­uptkommiss­ar Vincent Veih kennen Eckerts Leser bereits aus früheren Romanen. Für Melia Khalid, die sympathisc­he, äußerst taffe Ermittleri­n, hat der Autor eine Fortsetzun­g geplant. Bei der wohl auch die jetzt gespannten, zart amourösen Bande zwischen den beiden weiter gefestigt werden könnten.

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FOTO: KATHIE WEWER Horst Eckert stellt seinen Krimi „Im Namen der Lüge“vor.

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