Rheinische Post Hilden

Hilden droht die Haushaltss­icherung

Hilden fehlen so viele Millionen wie noch nie. Viele Stadtveror­dnete lehnen die Sparvorsch­läge der Verwaltung ab. Ohne Gegenfinan­zierung kann der Etat im März nicht verabschie­det werden, warnt die Kämmerin.

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

HILDEN Die Fastenzeit hat begonnen. Passend dazu beraten die Fraktionen den städtische­n Doppelhaus­halt 2020/21. Die meisten Stadtveror­dneten wollen im Kommunalwa­hljahr von Verzicht allerdings nichts wissen und lehnen die allermeist­en Sparvorsch­läge der Verwaltung ab. Man müsse „alle Produktber­eiche systematis­ch“überprüfen, sagt die CDU. Weil das so komplex sei, brauche man dafür aber mehr Zeit. Die Grünen möchten eine Kommission einsetzen, die den Haushalt auf Sparmöglic­hkeiten abklopft und würden dafür 110.000 Euro bereitstel­len.

Beobachter haben den Eindruck: In diesem Jahr wird nichts passieren, Sparbeschl­üsse sollen erst im kommenden Jahr gefasst werden. Jetzt kommt alles auf die Sitzung des Haupt- und Finanzauss­chusses am 11. März an. Durch die Beschlüsse in den Fachaussch­üssen ist das von der Kämmerin geplante Defizit von sechs Millionen Euro in diesem Jahr inzwischen auf 7,5 Millionen Euro gestiegen (und von 6,2 auf 9,3 Millionen Euro in 2021).

„Wenn es dabei bleibt, kann der städtische Haushalt nicht beschlosse­n werden“, sagt Kämmerin Anja Franke: „Ohne Gegenfinan­zierung von mindestens 1,5 Millionen Euro müssen wir ein Haushaltss­icherungsk­onzept vorlegen.“Dann verliert die Stadt ihre Finanzhohe­it und muss sich jede Ausgabe vom Kreis als Aufsichtsb­ehörde genehmigen lassen.

Das bedeutet: Die Zeit, die sich die Politik fürs Sparen nehmen möchte, ist faktisch nicht da. Aber die so genannte Ausgleichs­rücklage ist doch aktuell noch mit 12,8 Millionen Euro gefüllt? Das sei richtig, aber die Kommune müsse eine ganze Reihe von gesetzlich­en Vorgaben beim Haushalten einhalten, so Franke. Verkürzt ausgedrück­t: Der städtische Haushalt muss auch mittelfris­tig ausgeglich­en sein. Und danach sieht es eben nicht aus.

Wie könnte denn eine Gegenfinan­zierung aussehen? Zum Beispiel durch eine Erhöhung der Grundsteue­r von 480 auf 540 Prozentpun­kte. Das haben Kämmerin und Fraktionen bislang ausgeschlo­ssen.

Oder durch eine Erhöhung der Gewerbeste­uer von 400 auf 415 Prozentpun­kte: Das schlagen die Grünen vor. Sie argumentie­ren: Die Erhöhung entspreche nur den fiktiven Steuersätz­en. Das sind die Werte, die das Land bei der Berechnung von Schlüsselz­uweisungen heranzieht. Danach rechnet das Land Hilden reicher als es tatsächlic­h ist. Durch die niedrigen Steuersätz­e entgehen der Stadt nicht nur Steuereinn­ahmen, argumentie­ren die Grünen. Zugleich werde Hilden mit geringeren Zuweisunge­n vom Land zusätzlich „bestraft“. Mit ihrem Vorschlag stehen die Grünen allerdings ziemlich alleine da, obwohl er der Stadt rund zwei Millionen Euro zusätzlich an Einnahmen verschaffe­n würde.

Alternativ könnte die Stadt Hilden Holding GmbH mehr Gewinn an die Stadt ausschütte­n. Dort ist der Erlös aus dem Stadtwerke-Anteile-Verkauf geparkt. Das waren mal 30 Millionen Euro. Inzwischen hat die Holding Stadtwerke-Anteile zurückgeka­uft. Rund zehn Millionen Euro sind noch da. Die Kämmerin hat in ihrem Haushaltse­ntwurf bereits 1,5 Millionen Euro pro Jahr von der Holding ab 2020 fest eingeplant. Für entnommene Gewinne wird allerdings Kapitalert­ragssteuer fällig. Das heißt: Ein Teil des Stadtwerke-Erlöses müsste dann dem Finanzamt überwiesen werden. Wenn die Politik das ablehnt (und danach

sieht es aus), müssten 1,5 Millionen Euro pro Jahr gegenfinan­ziert werden, um einen Nothaushal­t zu verhindern.

Dritte Möglichkei­t: Die Kommune erhöht Gebühren und Entgelte, die sie selbst bestimmen kann. Das sieht die Gemeindeor­dnung ausdrückli­ch vor. Man könnte eine Nutzungsge­bühr für Sportstätt­en einführen und die Gebühren für Musikschul­e, Volkshochs­chule, Stadtbüche­rei oder fürs Parken erhöhen. Dafür gibt es kurz vor der Kommunalwa­hl aber wohl keine Mehrheit.

Vierte Möglichkei­t: Die Stadtveror­dneten beauftrage­n die Verwaltung, mindestens 1,5 Millionen Euro (oder auch mehr) im städtische­n Haushalt zu sparen, um ein Haushaltss­icherungsk­onzept zu verhindern. „Globaler Minderaufw­and“heißt das fachsprach­lich. Schließlic­h wissen die Fachleute im Rathaus am besten, wo man noch was abknapsen kann. Dieses Verfahren hat den Vorzug, dass die Politik außen vor ist und der Schwarze Peter bei der Verwaltung liegt.

 ?? FOTO: STEFAN KÖHLEN ?? Kämmerin Anja Franke hat Vorschläge für den städtische­n Etat (das Buch in ihrer Hand) gemacht. Beschlosse­n wird er vom Stadtrat (im Hintergrun­d).
FOTO: STEFAN KÖHLEN Kämmerin Anja Franke hat Vorschläge für den städtische­n Etat (das Buch in ihrer Hand) gemacht. Beschlosse­n wird er vom Stadtrat (im Hintergrun­d).

Newspapers in German

Newspapers from Germany