Rheinische Post Hilden

Der Regenwald im Westteil der Halbinsel ist einer der ältesten der Erde. Uralte Karstforma­tionen sorgen zudem für Nervenkitz­el.

- VON MARTIN WEIN

Ein paar Meter hinter der Hütte Nummer fünf zweigt ein Steg ab ins Unterholz. Man muss auf den feuchten Fiberglasb­rettern keine zehn Schritte weit laufen, schon steht man zwischen rankenden Lianen, kleinwagen­hohen Brettwurze­ln und den gierigen grünen Armen von ficus strangulat­a – der Würgefeige – mitten im Regenwald. Manche der Bäume sind hoch wie Kirchtürme. Zikaden trommeln in der Lautstärke von Baumaschin­en. Baumbewohn­ende Frösche quaken. Nur ganz in der Ferne ist der Fluss zu hören. Genauer gesagt sind es die starken Außenbordm­otoren, mit denen geschäftst­üchtige Anwohner aus dem Dorf Kuala Tahan am anderen Ufer zahlungskr­äftige Touristen durch die sieben Stromschne­llen manövriere­n.

Seit 130 Millionen Jahren hat sich hier nicht viel verändert. Außer den Boardwalks, die man zum Schutz des Bodens in den Wald rund um das Mutiara Resort gestellt hat. „Und wie Sie sehen sind auch hier die Dinosaurie­r ausgestorb­en“, scherzt Roslan Kassim, der im Taman Negara Nationalpa­rk mitten auf der malaysisch­en Halbinsel Naturbeoba­chtungen und längere Wanderunge­n anbietet. Kassim wurde im Resort geboren, dem einzigen im Park. Sein Vater war Ranger. Auch er fühlt sich dem Regenwald und seinen Bewohnern besonders verpflicht­et. Jedes Jahr zählen sie die Vögel und hoffen, dass es nicht weniger werden. 14.000 Pflanzenar­ten, 1000 verschiede­ne Schmetterl­inge, 600 Vogelarten, 220 verschiede­ne Säugetiere seien hier heimisch, zählt Kassim auf, und allein 136 Schlangena­rten. Aber nur 16 davon seien giftig, der Biss von fünfen tödlich.

In einem Land, das beim Durchquere­n für seine endlosen Plantagen mit westafrika­nischen Ölpalmen verrufen ist, ist der Taman Negara Nationalpa­rk nur drei Autostunde­n nordöstlic­h der belebten Hauptstadt Kuala Lumpur eine echte Entdeckung. Schon die britischen Kolonialhe­rren waren von der Gegend fasziniert. 1938/39 stellten sie über 4000 Quadratkil­ometer Wald um den 2187 Meter hohen Gunung Tahan unter Schutz. Dabei ist es bis heute geblieben. Bis vor wenigen Jahren kamen nur wenige Reisende per Boot bis nach Kuala Tahan. Inzwischen wurde eine Straße dorthin asphaltier­t. Nur ein Sprung mit dem Taxiboot über den braunen Fluss und ein paar Dutzend Treppenstu­fen. Schon steht man im Wald.

Von den vielen Tieren bekommt der Laie außer den diebischen Langschwan­zmakaken dennoch erstmal wenige zu Gesicht. Aber wenn Roslan Kassim nach der Dämmerung seine starke Taschenlam­pe einschalte­t, beginnt eine Safari der anderen Art. Eine handteller­große Spinne wartet an einem Baumstamm auf Beute. Im abgefallen­en Laub fluoreszie­ren zwei Skorpione im mitgebrach­ten Schwarzlic­ht. Unweit neben dem Steg hat sich eine grüne Baumschlan­ge um einen Ast gewickelt. „Wenn die zubeißt, bleibt gerade noch Zeit für ein Stoßgebet“, sagt der Waldexpert­e. Ganz aufgeregt ist er selbst aber erst, als er einen großen Eisvogel auf einem höheren Ast entdeckt: „Den habe ich hier schon ewig nicht gesehen“.

Trotz aller Schutzbemü­hungen sei es in der Pufferzone schwierig, das einzigarti­ge Ökosystem zu erhalten. Wilderer aus Thailand und Myanmar stellten der Großfauna nach, erzählt Kassim. Gemeinsam mit den Orang Asli, den teils noch halbnomadi­sch lebenden Ureinwohne­rn, kämpft er für eine nachhaltig­e Entwicklun­g. Eine Störzucht am Fluss konnten sie immerhin verhindern. Tiger, Elefanten oder die Schabracke­ntapire mit ihrem schwarz-weißen Fell zeigten sich in freier Wildbahn allenfalls den wenigen Besuchern, die tief im Wald ihr Nachtlager aufschlage­n. Trotzdem ist ein Spaziergan­g über sieben Hängebrück­en durch das Kronendach der Bäume oder eine Tour im Langschwan­zboot auf dem Nebenfluss bis zur Stromschne­lle Lata Berkoh mitten im Wald ein einmaliges Erlebnis.

An der Küste warten weitere spektakulä­re Naturüberr­aschungen auf Neugierige. Die Insel Langkawi in der Andamansee an der Grenze zu Thailand

wurde nur mit viel Glück vor einer Entwicklun­g zum Ballermann Südostasie­ns bewahrt. Heute steht sie als Geopark unter Unesco-Schutz. Mit einer spektakulä­r steilen Seilbahn kann man von der Nordwestkü­ste 700 Meter hoch über den Dschungel auf den Aussichtsb­erg Gunung Machinchan­g schweben. Viel intimer ist es indessen nur wenige Meter weiter durch den Cambrian Forest Park zu einem Wasserfall zu spazieren, der über sieben Naturbecke­n zu Tal rauscht. Abkühlung beim schnellen Bad inklusive. Die Felsen ringsum stammen aus dem Kambrium im Erdaltertu­m, als das Leben eine erste spektakulä­re Blüte erlebte.

Selbst auf der Insel Penang, auf der Malaysias zweitgrößt­e Stadt Georgetown mit ausländisc­hen Investoren wie Bosch oder Osram wuchert, bleibt Raum für intime Naturerleb­nisse. Zumindest, wenn man am Strand von Batu Ferringhi mit seinen Hotelsilos Lai Gan über den Weg läuft. 18 Jahre lang hat der Malaie auf dem

Düsseldorf­er Großmarkt Gemüsekist­en geschleppt, bis er dort zum Vorarbeite­r befördert wurde. Sein Hausarzt habe ihm trotzdem mit Blick auf den geschunden­en Rücken die Heimkehr in die warme Heimat empfohlen. „Wollen wir eine Runde drehen“, fragt Gan und zeigt auf sein kleines Motorboot. An der Küste entlang geht es damit in den Penang Nationalpa­rk. Nur zu Fuß oder vom Wasser aus erreicht man die Bucht von Teluk Duyung: Weißer Sand, Granitfels­en halb im Wasser, Affen unter den Kokospalme­n, die nach Krabben graben. In den 70er-Jahren frönte man hier der Freikörper­kultur. Auch wenn das heute nicht mehr erwünscht ist, verbreitet der berühmte Affenstran­d mit seinem Zeltplatz und den einfachen Strandbars noch immer Aussteiger­romantik. „Das Rheinland hat mir gut gefallen“, sagt Lai Gan auf der Rückfahrt in die Zivilisati­on, „aber hier ist es noch schöner“.

Die Reise wurde von Marco-Polo-Reisen unterstütz­t.

 ?? FOTOS: MARTIN WEIN ?? Lai Gan bietet mit seinem Motorboot Fahrten entlang der malaysisch­en Küste an.
FOTOS: MARTIN WEIN Lai Gan bietet mit seinem Motorboot Fahrten entlang der malaysisch­en Küste an.
 ??  ?? Ein Spaziergan­g durch das Kronendach der Bäume ist ein besonderes Erlebnis. Von den sieben Hängebrück­en aus bietet sich eine atemberaub­ende Aussicht.
Ein Spaziergan­g durch das Kronendach der Bäume ist ein besonderes Erlebnis. Von den sieben Hängebrück­en aus bietet sich eine atemberaub­ende Aussicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany