„Die Athleten haben eine größere Stimme bekommen“
Ich denke, dass die Corona Krise tiefe Spuren in der Sportwelt hinterlassen wird. Die Olympischen Spiele wurden verlegt, das bedeutet, bei vielen Sportlern wird sich die Lebensplanung grundlegend verändern. Viele, die geplant hatten nach Tokio 2020 aufzuhören, betreiben ihren Sport bis 2021 weiter. Junge, aufstrebende Sportler, die vorhatten, die Lücke der älteren zu schließen, müssen noch ein Jahr länger warten und ihre Planungen nach hinten verschieben. Einige junge werden diese Verschiebung nicht leisten können, da sie beispielsweise ihren Kaderstatus verlieren, finanziell Nöte haben und vielleicht keine Perspektiven im Sport, keine Ausbildung, keinen Berufsstart sehen.
Gerade für die olympischen Sportarten wird sich einiges verändern. Die Athleten haben durch das ganze Hin und Her mit ihren Äußerungen eine größere Stimme bekommen.Ich glaube, dass die Verbände und die Medien etwas sensibler diesbezüglich werden, wenn solche Sportler etwas zu sagen haben. Davon, dass zum Beispiel kein Fußball im Fernsehen lief, haben die Randsportler extrem profitiert, sie sind zahlreicher zu Wort gekommen oder interviewt worden als normalerweise. Die Randsportarten werden aus der Corona-Krise nicht als Verlierer herausgehen, sondern sie eher als positiven Aufschub der Wettkämpfe und als Aufschwung für ihren Sport betrachten.
Ich glaube, dass das Thema Fairness in diesem Jahr ein sehr großes Thema sein wird. Die Doping-Kontrollen sind ja ausgesetzt. Das macht das Ganze natürlich noch ein bisschen schwieriger. Ich fürchte, dass manche da ihre Chance wittern. Wir Sportler müssen uns jetzt irgendwie fit halten, um an unsere Leistung anknüpfen zu können, falls es dieses Jahr noch Wettkämpfe gibt. Durch die Verschiebung der Paralympischen und Olympischen Spiele hat jeder die gleichen Chancen, wieder Gas zu geben. Ich finde, dass der Sport absolut nicht verloren hat. Einzig für Athleten wie mich, deren letzte Spiele das sind, ist es ein bisschen blöd, weil man ja nicht mehr der Jüngste ist.
Ich denke, das Allerwichtigste ist, dass wir insgesamt als Gesellschaft gut aus der Krise herauskommen. Dabei hat die Gesundheit absolute Priorität. Das sollte uns bewusst sein, wenn wir über die Beschränkungen klagen. Da sollten wir meiner Meinung nach sowieso vorsichtig sein: Wir Sportler können noch raus, etwas trainieren. Viele andere sind weitaus mehr betroffen von der Erkrankung oder den Folgen der Maßnahmen. Es wäre schön, wenn wir im Winter mit spannenden Wettkämpfen unseren Beitrag dazu leisten können, dass die Menschen die Sorgen hinter sich lassen können und Spaß haben. Aber bis dahin ist noch Geduld angesagt. Auch für uns Sportler.
Diese Krise hat vieles aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Sport hält unsere Gesellschaft unabhängig von Herkunft, sexueller Orientierung, Religion oder Einkommen zusammen. Ihm kommt als sozialer Kit nach der Corona-Krise eine umso größere Aufgabe zu – gerade, wenn Menschen in Kurzarbeit sind oder sogar ihren Job verloren haben. Der Sport gibt Halt und vermittelt mit einfachsten Regeln Werte und Fairplay. Der Sport ist Vorbild für uns als Gesellschaft und wird langfristig gesehen noch stärker aus der Krise herausgehen. Wir werden alle neue Wege gehen. Eine wichtige Botschaft ist in dieser Krise: Solidarität.