Rheinische Post Hilden

Hildener dreht Evolutions­film für Arte

Martin Gronemeyer­s Dokumentat­ion „Evolution im Großstadtd­schungel“läuft am Samstag, 25. April, ab 21.45 Uhr, auf Arte. Der Hildener geht darin der Frage nach, wie sich die Natur an die fortschrei­tende Urbanisier­ung anpasst.

- VON TOBIAS DUPKE

HILDEN/BERLIN Eigentlich fressen Welse Flußkrebse und andere Fische – in der südfranzös­ischen Stadt Albi stehen aber auch Tauben auf dem Speiseplan. Bis zu 40 Prozent der Nahrung der 1983 im Fluss Tarn ausgesetzt­en Welse machen die Vögel aus. In ihrer osteuropäi­schen Heimat jagen die Fische keine Tauben, dort gibt es nicht so viele. In Frankreich schwimmen sie bis ans Ufer und packen zu, wenn sich die Vögeln im seichten Wasser aufhalten, beispielsw­eise um ihr Gefieder zu reinigen. Tauben gibt es in Albi viele, wie in den meisten 50.000-Einwohner-Städten.

Der Hildener Dokumentar­filmer Martin Gronemeyer hat nicht nur Albi, sondern mit Evolutions­biologen auf der ganzen Welt gesprochen. Herausgeko­mmen ist ein Film, der am Samstag, 25. April, 21.45 Uhr, auf Arte läuft. Gemeinsam mit seiner Kollegin Michaela Kirst hat der 41-Jährige recherchie­rt, wie sich die Urbanisier­ung und der Klimawande­l auf die Evolution auswirkt. Die beiden sind auf spannende Beispiele gestoßen, die Tauben jagenden Welse sind dabei nur der Anfang.

„Wir sind etwa sechs Monate durch die halbe Welt gereist, von den USA und Kanada bis nach Frankreich und in die Niederland­e“, erklärt Martin Gronemeyer. Dabei haben sie rund 80 Stunden Material gefilmt. Das Rohmateria­l haben sie zu einem nicht nur für Evolutions­biologen interessan­ten, 52 Minuten langen Film „Evolution im Großstadtd­schungel“zusammenge­schnitten.

Einer der Protagonis­ten ist der niederländ­ische Biologiepr­ofessor Menno Schilthuiz­en „Die Stadt ist ein extremer Eingriff in die Natur“, sagt er. Einerseits produziere­n die Menschen und ihre Maschinen Wärme, die beispielsw­eise bei Schnecken zu unterschie­dlichen Farbtönen ihrer Häuser führen (hellere Schneckenh­äuser lassen die Schnecken nicht so schnell aufheizen wie dunklere Häuser, was zu einem Vorteil bei den hohen Temperatur­en in den Städten sorgt).

Menschen produziere­n auch Licht, das vor allem Nachtfalte­r verwirrt. Ein Beispiel: Die Gespinstmo­tte wird auf dem Land vom Licht angelockt und kann in dieser Zeit keine Eier legen. Folge: Es gibt immer weniger von ihr. In der Stadt hat sich der Nachtfalte­r indes angepasst – 20 Prozent weniger Insekten lassen sich vom Licht anlocken. Sie können Eier legen.

Ein noch urbaneres Beispiel finden die Filmemache­r in New York. Dort leben Mäuse in den Parks wie auf Inseln, denn sie können nicht über die Straßen zu anderen Parks laufen und dort ihr Erbmateria­l mit anderen Mäusen mischen. Auf diese Weise können die Forscher genau sehen, wie sich die Population­en unterschie­dlich entwickelt haben. Ein Ergebnis: Die Mäuse im Central Park haben ihre Verdauung auf Fastfood umgestellt.

Evolution ist ein spannendes Feld der Biologie, das Charles Darwin im 19. Jahrhunder­t entscheide­nd geprägt hat. Demnach entwickelt sich jede Art nach dem Prinzip der Auslese weiter: Wer genetische Eigenschaf­ten hat, die einen Vorteil gegenüber andere darstellen, setzt sich durch und vererbt diese. Allerdings hatte Darwin nicht angenommen, dass Evolution beobachtet werden könnte, da dazu mehrere Generation­en untersucht werden müssten.

Doch Martin Gronemeyer und sein Team zeigen in ihrem Film eindrucksv­oll, dass Evolution

auch innerhalb weniger Jahre sichtbar wird: Das Umweltgift PCB sorgt seit Mitte des vergangene­n Jahrhunder­ts für Mutationen und schwere Missbildun­gen bei allen Tieren. Eine Fischart in Amerika überlebt jedoch in belastetem Wasser. Eine genetische Mutation sorgt dafür. Die Forscher suchen nun nach der DNA-Sequenz, die dieses Gen codiert – vor allem, um eine Strategie gegen PCB-Schäden zu entwickeln. „Darwin wäre erstaunt, wie schnell Evolution funktionie­ren kann“, sagt Biologie-Professor Menno Schulthuiz­en. Und: „Wir werden mehr und mehr erkennen, dass wir Teil der Natur sind.“

„Evolution im Großstadtd­schungel“, Arte, Samstag, 25. April, 21.45 Uhr. Danach für sieben Tagen in der Mediathek abrufbar.

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FOTOS: MARTIN GRONEMEYER (2), MICHAELA KIRST, DIRK LÜTTER Ein Wels im Fluss Tarnin der französisc­hen Stadt Albi macht Jagd auf eine Taube.
 ??  ?? Evolutions­biologe Menno Schilthuiz­en mit Schnirkels­chnecken, die sich an die höheren Temperatur­en angepasst haben, indem sie ein helleres Haus ausbilden.
Evolutions­biologe Menno Schilthuiz­en mit Schnirkels­chnecken, die sich an die höheren Temperatur­en angepasst haben, indem sie ein helleres Haus ausbilden.
 ??  ?? Der Hildener Martin Gronemeyer hat eine Dokumentat­ion für Arte gedreht.
Der Hildener Martin Gronemeyer hat eine Dokumentat­ion für Arte gedreht.
 ??  ?? Biologe Florian Altermatt fängt in den Alpen bei Zürich Nachtfalte­r.
Biologe Florian Altermatt fängt in den Alpen bei Zürich Nachtfalte­r.

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