Rheinische Post Hilden

„Diese Wahl wird die Gewichte verschiebe­n“

Der Parteienre­chtler sieht die Jüngeren coronabedi­ngt bei den Kommunalwa­hlen im Herbst im Vorteil.

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Nicht nur in Haan läuft in diesen Tagen die Diskussion, ob man die Kommunalwa­hlen am 13. September in NRW wegen der Corona-Krise nicht besser verschiebe­n sollte. Die Experten sind sich nicht einig, die Parteien erst recht nicht. Wofür plädieren Sie? Roßner Das ist eine komplexe Frage, weil sie nicht nur jede Menge rechtliche Aspekte aufwirft, sondern vor allem große praktische Probleme. Ich meine jedoch, um es vorweg zu nehmen, dass eine Verschiebu­ng der Wahl noch problemati­scher wäre, als die Durchführu­ng mit den coronabedi­ngten Einschränk­ungen.

Was wäre denn so schlimm an einem späteren Wahltermin? Roßner Die jetzige Wahlperiod­e war mit sechs Jahren wegen des Systemwech­sels, die Räte und die Bürgermeis­ter wieder gleichzeit­ig zu wählen, ohnehin schon sehr lang, denn eigentlich gilt die Begrenzung auf fünf Jahre. Ich fürchte, wenn das alles jetzt noch weiter nach hinten verlegt wird, könnte die demokratis­che Einbuße durch eine Verschiebu­ng letztlich größer sein, als wenn man beispielsw­eise in diesem besonderen Fall einmal Abstriche bei der Transparen­z der Kandidaten­wahl machte.

Also ein digitaler Parteitag, wie ihn die Grünen in NRW Anfang Mai veranstalt­en wollen, als Vorbild auch für die Aufstellun­gsversamml­ungen für die Kommunalwa­hl-Kandidaten?

Roßner Nein. Das mag bei einem Parteitag auf Landeseben­e mit Delegierte­n ja funktionie­ren, für Haan und die meisten anderen Kommunen, in denen jetzt Kandidaten für die Kommunalwa­hl aufgestell­t werden sollen, halte ich das aber für sehr schwierig. Solche Versammlun­gen sind rechtlich betrachtet Wahlvorber­eitungshan­dlungen. Sie bilden gewisserma­ßen die erste Stufe der staatliche­n Wahlen. Eine digitale Veranstalt­ung würde vor allem viele ältere Menschen ausgrenzen. Daher spricht einiges dafür, dass hier die verfassung­srechtlich­en Wahlgrunds­ätze gelten und damit auch die Öffentlich­keit der Wahl.

Genau da stoßen die Parteien bei der Umsetzung aber jetzt an Grenzen.

Roßner Richtig. Jetzt kommen die praktische­n Probleme. Das beginnt schon bei der Auswahl des Veranstalt­ungsraums. 1,5 Meter Abstand – das geht insbesonde­re bei den großen Parteien nur noch in Sälen oder eben wie etwa in Haan in der Schulaula . . . .

. . . die die Stadt zwar zur Verfügung stellt, aber in der ja alle einen Termin belegen wollen . . . Roßner . . . und damit hätten wir das nächste praktische Problem. Schließlic­h müssen bis zum 16. Juli alle Unterlagen und Kandidaten­listen beim Wahlleiter abgegeben worden sein. Je später ich meine Kandidaten aufstelle, weil ich keinen frühen Termin mehr für die Anmietung des Veranstalt­ungssaals bekommen habe, desto weniger Zeit bleibt mir, formale Fehler, die dabei eventuell gemacht worden sind, noch zu korrigiere­n. Große Parteien können einiges noch kompensier­en, weil sie vom Wahlplakat bis zum Leitfaden für die Aufstellun­gsversamml­ung Material ihrer Bundespart­ei zur Verfügung gestellt bekommen, das ihnen bei der Vorbereitu­ng hilft. Manche kleinen Parteien, vor allem aber die Wählergeme­inschaften, können sich nur auf das Engagement ihrer ehrenamtli­chen Mitglieder verlassen.

Und auch die müssen eine solche Veranstalt­ung ja erst einmal besuchen . . .

Roßner Ich gehe davon aus, dass wir bei dieser Wahl eine deutliche Verschiebu­ng der Gewichte hin zu den Jüngeren erleben werden, weil viele ältere Parteimitg­lieder aus Angst vor Ansteckung zu Hause bleiben werden.

Trotz allem bleiben Sie beim bisherigen Wahltermin 13. September?

Roßner Ja, es sei denn, die Corona-Krise verschärft sich noch weiter. Wahlen sind eine der wichtigste­n Bausteine unserer Demokratie. Die Wähler haben ihre Stimme bei der letzten Kommunalwa­hl schließlic­h nur auf eine bestimmte Zeit hin abgegeben. Dieser Fünf-Jahres-Zeitraum ist durch die Zusammenle­gung von Rats -und Bürgermeis­terwahl schon überschrit­ten und kann meiner Meinung nach nur dann verlängert werden, wenn es überhaupt keine andere Möglichkei­t mehr gibt, den 13. September zu halten. So dramatisch ist die Lage zurzeit aber nicht.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Hygiene und Abstand: bei der Stimmabgab­e selbst wohl eher nicht das Problem, bei der Kandidaten­aufstellun­g allerdings schon.
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LLR RECHTSANWÄ­LTE, KÖLN PETER CLEMENT STELLTE DIE FRAGEN Parteienre­chtler und Rechtsanwa­lt Sebastian Roßner.

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