Die Krise entscheidet über die K-Frage
Ministerpräsident Armin Laschet hat beim Treffen mit der Kanzlerin hinter verschlossenen Türen gekämpft. Ihm gelangen kleine Erfolge gegen Markus Söder, aber ein durchschlagender Auftritt war es nicht. Reicht das für mehr?
Die Ministerpräsidentenkonferenz als Bühne potenzieller Erben der Kanzlerin? Der Umgang mit der Corona-Pandemie als Gradmesser für die Kanzlertauglichkeit der Landesväter Armin Laschet und Markus Söder? Es wäre wohl im Sinne eines besonnenen Umgangs mit der unzweifelhaft dramatischen Infektionslage, wenn diese Fragen keine Rolle spielen würden. Wenn sie irrelevant wären. Angesichts des Machtverhältnisses zwischen Bund und Ländern und angesichts des Streits insbesondere zwischen den Ländern Nordrhein-Westfalen und
Bayern über den richtigen Umgang mit der
Krise sind sie aber relevant. Und sie bleiben es, bis die Nachfolge im CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl geklärt sind.
Je näher der Termin des CDU-Parteitags im Dezember rückt, desto stärker geraten die offenen und verdeckten Auseinandersetzungen zwischen Armin Laschet und Markus Söder in der Corona-Krise ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Bislang füllte die SPD die Rolle dankbar aus, insbesondere diese beiden Regierungschefs davor zu warnen, interne Machtkämpfe in der Union auf dem Feld der Pandemiebewältigung auszutragen. Immer häufiger betrachten auch Unionspolitiker das Gebaren mit Sorge.
Denn der Ton dürfte rauer werden, und die Voraussetzungen sind so unterschiedlich wie die Politiker-Typen Laschet und Söder. Der Regierungschef des bevölkerungsreichsten Bundeslandes tritt für ein maßvolles Agieren in der Krise ein und für Härte nur, wenn es nicht mehr anders geht. Ihm fehlt aber der exklusive Zugang zum wichtigen Koalitionsausschuss, weil er eben (noch) nicht Parteichef ist, und er darf auch nicht in der viel beachteten Pressekonferenz zur Runde der Ministerpräsidenten sitzen, was Söder zuletzt als Vorsitzendem der „MPK“und jetzt als deren Vize vorbehalten ist. Zudem fehlt Laschet die Fähigkeit, Positionen auf wenige Worte, auf markige Sätze, auf Überschriften herunterzubrechen.
Kaum einer kann das so gut wie Söder, Regierungschef des flächenmäßig größten Bundeslandes. Er sitzt als CSU-Chef im Koalitionsausschuss, kann beide derzeit so wichtigen Bühnen nach Belieben bespielen. Möglicherweise ist auch das ein Grund, warum Söder in der öffentlichen Wahrnehmung bezüglich des unionsinternen Rennens bislang die Nase vorn hat. In der vergangenen Woche landete Söder im ZDF-„Politbarometer“der Forschungsgruppe Wahlen auf Platz zwei der beliebtesten Politiker, direkt hinter Merkel – Laschet auf den hinteren Rängen. Auch bei Unionsanhängern schnitten Merkel und Söder am besten ab, während Armin Laschet und sein Konkurrent um den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, nur mäßige Werte erhielten. Ob das so bleibt, hängt maßgeblich von Laschets Leistung als Regierungschef in der Krise ab.
Und die war dem Vernehmen nach am Mittwoch im Kanzleramt davon geprägt, Vermittler zu sein. Auch wenn ein Teilnehmer aus einem anderen Bundesland sagte: „Das war kein Auftritt, mit dem er seine Kanzlertauglichkeit unter Beweis gestellt hat.“Laschet habe verzagt gewirkt, sich in Details verkämpft und dabei keine klare Linie aufzeigen können. Also auch kein Poltern, kein breitbeiniges Auftreten. Gleichwohl soll er in der schwierigsten Debatte des Abends, in der es um die umstrittenen Beherbergungsverbote ging, sehr entschieden aufgetreten sein. So sehr, dass er nach Angaben aus Teilnehmerkreisen Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) überzeugen konnte, von den Verboten in seinem Land abzurücken. Überhaupt lässt sich derzeit an keinem anderen Beispiel so gut beleuchten, welche unterschiedlichen Ansätze Laschet und Söder verfolgen.
So hatte Laschet sich schon vor der Sitzung öffentlich gegen die Beherbergungsverbote positioniert – und erlebte in der Runde einen neuen Söder: still und nachdenklich statt forsch und andere vor sich hertreibend. Der CSUChef musste von der Kanzlerin gefragt werden, was denn nun seine Linie sei. Anders als Laschet hatte er die Beherbergungsverbote für Bayern direkt umgesetzt (wenn auch nicht für Reisende aus bayerischen Risikogebieten). Zwei Informationen hielt Söder als seine Einschätzung für die Runde bereit. Zum einen, dass „das Ding“in der öffentlichen Debatte „nicht gut“laufe für die Regierungschefs. Zum anderen, dass er selbst nun „unentschlossen“sei.
Dagegen legte Laschet nach der Sitzung noch einmal nach. Das Beherbergungsverbot setze „falsche Anreize“, schrieb der Ministerpräsident auf Twitter. Ganz deutlich ging Laschet darin auch auf Distanz zu den Gegenspielern in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, indem er klarmachte: „Unsinnige Vorschriften gefährden die wichtige Akzeptanz der Corona-Regeln.“Die im Kanzleramt absehbare Mehrheit für die Laschet-Linie vergrößerte sich am folgenden Tag: Sachsen ließ sein Beherbergungsverbot fallen, das baden-württembergische wurde durch den Gerichtshof gekippt, bevor Kretschmann aktiv wurde.
Die neue Systematik, das Land und die jeweils fälligen Maßnahmen in drei Stufen zu unterscheiden, hatte das nordrhein-westfälische Kabinett am vergangenen Sonntag ebenfalls schon in Teilen in die Wege geleitet: Regionen mit einem unverdächtigen Infektionsgeschehen und weitgehenden Freiheiten, Regionen mit 35 Infektionen binnen sieben Tagen je 100.000 Einwohner und ersten einschränkenden Eingriffen und schließlich stärkere Maßnahmen bei allen mit rotem Licht: ab 50 Infektionen. Gemeinsam mit Rheinland-Pfalz und Hessen setzte Laschet auch eine inhaltliche Distanzierung von dem Beschlusspapier in einem wesentlichen Punkt durch: In den drei Ländern soll es keine Verbote für Treffen in der der eigenen Wohnung geben.
Er könne nur beschließen, was auch vollzogen werden könne, sagte Laschet im Kanzleramt. Ganz, als sei er hier schon zu Hause.