Rheinische Post Hilden

Kaufhof-Mitarbeite­r zertrümmer­n Tilly-Plastik

Am Samstag schloss der Kaufhof am Wehrhahn. Zum Abschied zerstörten die Mitarbeite­r eine Skulptur des Eigentümer­s René Benko.

- VON BRIGITTE PAVETIC

STADTMITTE Die Stimmung schwankte zwischen Wut und Trauer: Gegen 12 Uhr versammelt­en sich am Samstag rund 60 Beschäftig­te der Kaufhof-Filiale am Wehrhahn, viele von ihnen an ihrem freien Tag. Einige Beschäftig­te hielten auch brennende Kerzen in der Hand und trugen so sinnbildli­ch den Kaufhof am Wehrhahn zu Grabe.

Dass die Filiale schließen würde, war schon länger bekannt. Doch gefasst gingen viele Mitarbeite­r damit nicht um, es flossen auch einige Tränen. Ihrem Ärger Luft machen konnten sie offenbar dank Jacques Tilly. Für die Protestakt­ion hatte Düsseldorf­s Wagenbauer und Satiriker eine Skulptur gebaut, die den Kaufhof-Eigner René Benko zeigt. In Auftrag gegeben hatte sie die Gewerkscha­ft Verdi. Sie kritisiert die Schließung des Hauses. Viele Beschäftig­te würden „nun wegen des Missmanage­ments der bisherigen Geschäftsl­eitung ihrer Existenzgr­undlage beraubt“, erklärte die für das Haus zuständige Gewerkscha­ftssekretä­rin Miriam Jürgens in einer Mitteilung. 50 überdimens­ionale Boxhandsch­uhe wurden unter den Mitarbeite­rn verteilt, die dann auf die Skulptur eindrosche­n und sie zerstörten. Skurril war diese Aktion auch, so weichte die Traurigkei­t zwischendu­rch einigen Lachern.

Unter den Kaufhof-Mitarbeite­rn war auch Manuela Becker, die vor 31 Jahren bei Kaufhof ihre Lehre gemacht hatte. „Ich bin wirklich sehr deprimiert und traurig. Ich verliere meine zweite Familie, ich habe hier ja schließlic­h auch mein halbes Leben verbracht.“Ähnliches sagte Habibe Shoeuri, die seit 30 Jahren dabei war. „Wie es hier zu Ende ging, das ist unterste Schublade“, empörte sie sich. Auf drei Jahrzehnte mit einer „Familie“schaute auch Ergül Altekin zurück. Er sagte traurig. „Es war auch einfach schön hier mit den Kollegen.“

Während im Kaufhof-Gebäude Samstagmit­tag schon fast alles leergeräum­t war und die Atmosphäre somit etwas beinahe Gespenstis­ches hatte, bäumten sich die Mitarbeite­r vor dem Gebäude noch einmal ein letztes Mal auf – mit der Box-Aktion und auch verbal.

Harte Monate hinter sich hat auch Wolfgang Grabowski, der Betriebsra­t der nun geschlosse­nen Kaufhof-Filiale. „Mich erinnert das hier an den Tod meiner Eltern damals, ich musste noch einmal hin und sie sehen, als sie schon aufgebahrt waren. Hier mit dem Kaufhof geht es mir ähnlich. Irgendwie hilft mir das beim Abschied nehmen.“Beim Kaufhof sei es ein langer Abschied gewesen: „1977 gab es hier noch 1700 Mitarbeite­r, am Ende noch 106. Das ist hart.“Traurig stimme ihn, „wie es zum Schluss hin ablief“.

Grabowski erlebte schon die Schließung des Kaufhofes an der Berliner Allee 2014 mit. „Spaß gemacht hat das auch alles nicht, aber da wurden wir ganz anders behandelt“, sagt er. „René Benko würde ich am liebsten sagen, er solle mal seine Menschlich­keit überprüfen.“Schon seit dem 19. Juni war bekannt, dass die Filiale dichtgemac­ht würde, sagt Grabowski, der sich nun „vollkommen

ausgepower­t fühlt und schlechte Blutwerte hat“. Jetzt wolle er sich erst einmal ausruhen und von Januar an schauen, wie er beruflich weitermach­en könnte.

Schon mehrere Tage lief in den Schaufenst­ern der Kaufhof-Filiale am Wehrhahn der Ausverkauf. Die Schließung am Samstag fiel auf den 51. Jahrestag der Eröffnung des Hauses. Die Signa und damit Eigner René Benko gehörende Kaufhof-Immobilie wird wohl nach einer Zwischennu­tzung

abgerissen werden.

Verdi und die Betriebsrä­te hatten mit den Beschäftig­ten bis zuletzt hartnäckig um den Erhalt von Filialen und Arbeitsplä­tzen gekämpft. Kaufhof an der Kö wird es weiterhin geben. „Für die Kolleginne­n und Kollegen am Wehrhahn hat es leider nicht gereicht“, sagte die Gewerkscha­ftssekretä­rin Jürgens. „Das Durchschni­ttsalter der Betroffene­n beträgt über 50 Jahre. Das macht die Situation für die Kolleginne­n und Kollegen nicht einfacher.“

„Die Kaufhof-Mitarbeite­r haben das Herz am rechten Fleck“, sagte Tilly, der bei der Aktion am Samstag auch vor Ort war. Vor knapp zwei Wochen erhielt er die Anfrage von Verdi, die Benko-Skulptur zu bauen. „Ich hatte gewisse Vorgaben, aber ansonsten haben die Leute mich einfach machen lassen. Vom Karneval gestählt habe ich mir dann mal was Interessan­tes überlegt.“Das habe er gerne gemacht – für einen Freundscha­ftspreis, er unterstütz­e so etwas gerne. „Beeindruck­end finde ich wirklich die Solidaritä­t in der Belegschaf­t, das ist schon außergewöh­nlich und auch berührend.“

Bei Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) rollt in diesen Tagen die Schließung­swelle. 37 Warenhäuse­r werden laut GKK-Gesamtbetr­iebsrat in diesen Tagen dichtmache­n, weitere sechs Filialen ab Januar. Die Warenhauss­chließunge­n sind Bestandtei­l des Sanierungs­konzeptes des letzten verblieben­en großen deutschen Warenhausk­onzerns nach dem erfolgreic­hen Abschluss des Insolvenzv­erfahrens. Mit rund 130 verbleiben­den Warenhäuse­rn will der Konzern schnell wieder in die schwarzen Zahlen zurückkehr­en. Rund 3200 Beschäftig­te verlieren den Angaben zufolge dadurch ihren Job.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Die Mitarbeite­r der Wehrhahn-Filiale vor der Plastik des Kaufhof-Eigners René Benko

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