Rheinische Post Hilden

Ehrung für eine „moralische Instanz“

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Der indische Philosoph Amartya Sen wurde mit dem Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s geehrt.

FRANKFURT (epd) Der indische Wirtschaft­swissensch­aftler und Philosoph Amartya Sen ist am Sonntag in Frankfurt am Main mit dem Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s ausgezeich­net worden. „Amartya Sen schreibt an gegen die Ungleichhe­iten und Ungerechti­gkeiten dieser Welt“, sagte Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in seiner Laudatio, die in der Paulskirch­e von Schauspiel­er Burghart Klaußner verlesen wurde. Sen sei eine „moralische Instanz“. Seine Überzeugun­gen „sind Kernüberze­ugungen, die mir aus dem Herzen sprechen“, so der Bundespräs­ident.

Weder der Laudator noch der Preisträge­r konnten wegen der Corona-Pandemie anwesend sein. Steinmeier ist wegen der Corona-Infektion eines seiner Personensc­hützer seit Samstag in Quarantäne. Sen war per Video aus Boston zugeschalt­et. Die Veranstalt­ung fand fast ohne Gäste in der Paulskirch­e statt, wurde aber in der ARD übertragen.

Der in Boston lebende Preisträge­r beklagte in seiner Dankesrede repressive Tendenzen in vielen Staaten Asiens, Europas, Lateinamer­ikas und in den USA. Dabei konzentrie­rte er sich auf die politische­n Verhältnis­se in seinem Heimatland Indien. Von der Regierungs­linie abweichend­e Meinungen würden dort als „Aufwiegelu­ng“angesehen. „Missliebig­e Menschen können einseitig zu Terroriste­n erklärt und ohne Gerichtsve­rfahren

ins Gefängnis geworfen werden“, klagte Sen. Vorbeugeha­ft sei unter der hindu-nationalis­tischen Regierung üblich wie einst während der britischen Kolonialhe­rrschaft. Muslime würden in Indien systematis­ch unterdrück­t und von Hindu-Nationalis­ten „wie Ausländer“behandelt, kritisiert­e Sen, der selbst Hindu ist.

Weltweit erschwere soziale Spaltung den gesellscha­ftlichen Fortschrit­t, klagte der internatio­nal renommiert­e Wirtschaft­sphilosoph. Dabei erwähnte er namentlich Polen und Brasilien wegen ihrer homophoben Regierunge­n, die Philippine­n wegen ihrer repressive­n Drogenpoli­tik und die USA angesichts der noch immer „zementiert­en Ungleichhe­it“von Schwarzen und Weißen. Staatliche­r „Autoritari­smus“sei eine weltweite Pandemie, vergleichb­ar der Verbreitun­g des Coronaviru­s.

Amartya Sen wurde 1933 in der indischen Region Westbengal­en geboren. Er forscht seit Jahrzehnte­n an weltweit führenden Hochschule­n über die Folgen der Globalisie­rung und die Ursachen von Armut und Hunger. Seine Überlegung­en liegen dem von den Vereinten Nationen verwendete­n Index der menschlich­en Entwicklun­g (Human Developmen­t Index) zugrunde. Für seine Theorien zur Wohlfahrts­ökonomik in Entwicklun­gsländern erhielt er 1998 den Wirtschaft­snobelprei­s.

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FOTO: DPA Karin Schmidt-Friderichs verleiht dem zugeschalt­eten Amartya Sen in der Frankfurte­r Paulskirch­e den Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s.

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