Der Wettlauf der Pharma-Riesen
In Brasilien ist der Teilnehmer einer Impfstoff-Studie gestorben, jedoch bekam er wohl nur ein Placebo. Studienunterbrechungen sind aber üblich. Auch deutsche Firmen testen ihre Kandidaten.
DÜSSELDORF Gibt es bei der Suche nach einem Corona-Impfstoff neue Rückschläge? Es hat den Anschein. In Brasilien ist ein Mann, der an einer Studie des britischen Konzerns Astrazeneca und der Universität Oxford teilgenommen hat, gestorben. Laut Medienberichten soll es sich um einen 28-jährigen Arzt handeln, dem aber nicht der potenzielle Impfstoff, sondern nur ein Placebo verabreicht worden war. Er soll sich mit Corona angesteckt haben und an den Folgen gestorben sein. Die Aktie von Astrazeneca gab nach.
Kein Einzelfall: Wenn Pharmafirmen neue Mittel testen, ist es üblich, dass zum Vergleich eine Gruppe der Testpersonen nur ein Scheinmedikament (Placebo) erhält. Schon Anfang September hatte Astrazeneca seine Studie unterbrochen, weil bei einer Testperson schwere Nebenwirkungen aufgetreten waren. Laut Medienberichten soll sie an einer Entzündung des Rückenmarks (Transverse Myelitis) erkrankt sein, die zu Lähmungen führen kann.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland für Impfstoffe zuständig ist, betont, dass Unterbrechungen nicht ungewöhnlich seien. „Studienunterbrechungen stellen ein Standardverfahren im Rahmen von klinischen Prüfungen dar und dienen dem Schutz der Studienteilnehmer“, erklärte eine Sprecherin. Eine Wiederaufnahme der Prüfungen sei nach Genehmigung der Zulassungsbehörden möglich. In Großbritannien und Indien wurden die Tests bereits wieder aufgenommen. Brasilien will auch nach dem Todesfall des Placebo-Einnehmers weiter testen lassen. In den USA liegen die Studien dagegen noch auf Eis.
Astrazeneca ist eines der rund 40 Unternehmen, die einen Impfstoff-Kandidaten gegen das Coronavirus entwickelt haben und klinisch testen. In Phase I geht es um Sicherheit, Verträglichkeit und die Fähigkeit, eine Immunabwehrreaktion hervorzurufen. In Phase II geht es bei einer größeren Gruppe aus bis zu 1000 Freiwilligen darum, die beste Dosierung zu finden. In Phase III soll sich im Alltag erweisen, ob der Impfstoff zuverlässig schützt. Der US-Konzern Johnson & Johnson unterbrach Mitte Oktober nach einem Zwischenfall seine Studien: Es habe eine „unerklärliche Erkrankung“eines Probanden gegeben.
Die Firmen forschen in drei Richtungen: erstens an Lebend-Impfstoffen mit Vektorviren. Hier sind bekannte, harmlose Viren der Ausgangspunkt, die die Forscher mit gentechnischen Mitteln als SarsCoV-2-Viren „verkleiden“. Andere
setzen auf Totimpfstoffe mit Virusproteinen. Sie enthalten das Material inaktivierter Sars-CoV-2Viren. Und wieder andere wie die deutschen Hersteller Curevac und Biontech entwickeln genbasierte Impfstoffe. Hier enthalten die Impfstoffe Gene des Virus in Form der Botenstoffe mRNA oder DNA. Ziel ist es dabei, dass der Körper als Reaktion auf die Impfung einen Immunschutz aufbaut, der auch eine echte Infektion abwehren kann.
Die Mainzer Biontech, die mit dem US-Konzern Pfizer kooperiert, testet ihr Präparat an weltweit 44.000 Teilnehmern. Im November soll es Ergebnisse geben. Der US-Gesundheitsminister behauptet nun, bis Jahresende gebe es genug Impfstoff für alle gefährdeten Amerikaner. Die EU-Kommission ist skeptisch: Es werde noch Monate dauern, bis ein Impfstoff gefunden und verteilt sei.