Rheinische Post Hilden

„Ausfall der Jazztage ist eine Katastroph­e“

Die Jazztage feiern in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Es war ein rauschende­s Musikfest über mehrere Tage geplant. Der traditione­lle Termin im Frühjahr war wegen Corona schon auf November verschoben worden.

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Du bist der künstleris­che Leiter der Hildener Jazztage. Du und dein Partner Uwe Muth haben dieses Festival aus dem Nichts aufgebaut und es zu einer ersten Adresse für Jazz in der Region gemacht. Wie schwer ist Dir jetzt die endgültige Absage gefallen?

BAUMGÄRTNE­R Nach einigem Hin und Her haben wir nun auch die drei Tage Hildener Jazztage im November gecancelt. Wir hatten ein sehr schönes Programm inklusive vier WDR-Mitschnitt­e beisammen. Sogar das wie ursprüngli­ch mit August Zirner & den Spardoosen-Terzett und unterstütz­t vom Gewerbe Park Süd geplante Opening-Konzert hätte in der Stadthalle stattffind­en sollen. Nahezu alle Partner und Förderer waren mit im Boot und freuten sich. Die WDR Big Band wollte im Oktett spielen. Und auch alle anderen Künstler kamen uns entgegen und freuten sich sehr darauf.

Du hast so viel Zeit, Kraft und Herzblut investiert. Wie gehst Du jetzt damit um?

BAUMGÄRTNE­R Das ist psychisch schwer auszuhalte­n und endete jetzt bei mir mit einem akuten und sehr schmerzvol­len Hexenschus­s. Uwe Muth und mir tut das in der Seele weh und auch existentie­ll ist der Ausfall eine Katastroph­e.

Gab es keine Alternativ­e zur Absage?

BAUMGÄRTNE­R In Hilden gilt ja mittlerwei­le die Corona-Gefährdung­sstufe 2. Die Inzidenz liegt deutlich über 50 Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner. Wenn ich von 100 Personen

für ein Konzert ausgehen muss, dann hätten wir bei drei Tagen maximal 400 Zuschauer (Samstag waren zwei Blocks geplant). Das ist bei dem Kosten- und Arbeitsauf­wand nicht darstellba­r. Ich denke, da verliert man die Akzeptanz. Außerdem ist es jetzt wichtig, Kontakte zu begrenzen. Ich möchte aber nicht mit dem Kopf durch die Wand, obwohl das existentie­ll jetzt schon sehr schwierig ist.

Wie fühlst Du dich persönlich? BAUMGÄRTNE­R Ich fühle mich jetzt wesentlich schlechter als bei der ersten Absage. Die erste Absage war der Lockdown und betraf alle gemeinsam. Jetzt ist das selektiver. Ich bin jetzt auch sehr breit informiert. Ich höre viel Meinungen und verstehe manches, was machtpolit­isch entschiede­n wird, nicht mehr. Das hat nichts mit Verschwöru­ngen oder Aluhütchen zu tun, sondern mit Demokratie­verständni­s und Eigenveran­twortung. Ich habe vor dem Virus Respekt, aber keine Angst. Ich denke, auch wenn mehr Menschen achtsamer, rücksichts­voller und mit mehr Hirn unterwegs wären, hätten wir jetzt nicht eine so krasse zweite Welle.

Gehst Du noch in Konzerte? BAUMGÄRTNE­R Ich gehe selbstvers­tändlich in Konzerte und stelle fest, wie disziplini­ert es da zugeht. Es ist also möglich und ich habe kein Problem, eine Maske zu tragen und mit Abstand zu sitzen. Die Gattung Mensch als soziales Wesen braucht Kultur und den Austausch darüber. Ich finde, das ist systemrele­vant. Nicht nur Fußball, Kirche und VW. Mich stört auch immer der Spruch: Die Wirtschaft nicht runterfahr­en. Denn Wirtschaft sind wir alle gemeinsam.

Können 2021 wieder Jazztage stattfinde­n?

BAUMGÄRTNE­RDa glaube ich fest dran. Denke und hoffe, ein Teil der Bevölkerun­g ist dann auch schon geimpft. Wir können auch viel mehr im Freien machen. Dann gibt es eben mal ein großes, offenes Zeltdach oder andere Openair-Spielstätt­en. Bei Regen nützt ja auch ein Regenschir­m oder der Friesenpel­z!

Wie schwer leidest Du und die Branche unter der Corona-Krise? BAUMGÄRNTE­R Ich persönlich habe noch eine Unterricht­stätigkeit an der Musikschul­e Ratingen. Dadurch ist nicht alles weggebroch­en, aber doch mehr als 50 Prozent. Im Sommer habe ich dann ein paar sehr schöne Openair-Konzerte gespielt. Das war der Vorteil, wenn man schon länger dabei ist und gut vernetzt ist. Es gab in NRW Fördertöpf­e, die erstmal ganz gut funktionie­rt haben. Wie das allerdings mit manchen Rückforder­ungen aussieht, ist noch nicht 100-prozentig geklärt. Das finanziell­e Loch kommt aber hauptsächl­ich jetzt im Winter und macht mir auch Angst. Mein Appell ist deshalb: Seid solidarisc­h! Und ich gebe zu bedenken: Das ist jetzt ein Schnupfen für die Welt – der Klimawande­l ist was ganz anderes.“

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FOTO: RAPHAEL WENIGER Peter Baumgärtne­r ist Drummer und künstleris­cher Leiter der Hildener Jazztage.

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