Auf Krawall gebürstet
Recep Tayyip Erdogan will der Türkei ein Mitspracherecht bei allen Themen verschaffen, für die sie sich interessiert. Das hat zu Verwerfungen mit fast allen Nachbarn und Partnern geführt. Doch bisher kommt er damit durch.
Mit verbalen Angriffen auf Frankreich und Deutschland eröffnet der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die nächste Front seiner aggressiven Außenpolitik. Frankreich rief seinen Botschafter aus der Türkei zu Konsultationen zurück, nachdem Erdogan den französischen Staatschef Emmanuel Macron als geisteskrank verhöhnt hatte. Gleichzeitig stilisierte Erdogan die Durchsuchung einer Berliner Moschee durch die Polizei wegen Betrugsverdachts zum islamfeindlichen Angriff. Dass Erdogan so austeilt, ist Zeichen einer türkischen Außenpolitik, die auf Krawall gebürstet ist.
Ankara liegt mit fast allen Nachbarn und den meisten Partnern im Clinch. Die türkische Regierung schickt Truppen nach Syrien und Waffen nach Libyen. Sie mischt im Konflikt um die Kaukasus-Region Berg-Karabach mit und lässt ihre Luftwaffe im Irak angreifen. Sie hat keine Botschafter in Armenien, Syrien, Israel und Ägypten, empfängt aber die Chefs der radikalen Palästinensergruppe Hamas. Im östlichen Mittelmeer gerät sie mit Griechenland und Zypern aneinander. Mit den Vereinigten Staaten liegt die Türkei über Kreuz, weil sie ein russisches Luftabwehr-System gekauft hat, das nicht mit der Nato kompatibel ist.
Europa diskutiert inzwischen über Strafmaßnahmen gegen Ankara: Wegen fortgesetzter Provokationen der Türkei im Gasstreit im Mittelmeer reißt selbst der Bundesregierung in Berlin, die bisher gegen Sanktionen war, allmählich der Geduldsfaden. Von einer Wiederannäherung der Türkei an die EU nach Jahren der Krise redet niemand mehr.
Für Erdogan ist die außenpolitische Kraftmeierei innenpolitisch wichtig. Ständige Krisen und die Warnungen vor angeblichen Feinden der Türkei im Ausland sollen die Wähler trotz Wirtschaftskrise und Währungsverfall hinter der Regierung einen. So stieg Erdogans Zustimmungsrate während der scharfen Auseinandersetzungen mit Griechenland über das östliche Mittelmeer im Sommer. „Weil die positiven Effekte der außenpolitischen Abenteuer nur kurz anhalten, tritt der türkische Präsident verzweifelt immer neue Krisen los“, sagt Aykan Erdemir, Türkei-Experte an der amerikanischen Foundation for Defense of Democracies.
Am Wochenende knöpfte sich Erdogan Frankreich und Deutschland vor. Seine Kritik an Macron richtete sich gegen dessen Aussage, der Islam befinde sich in der Krise. Macron hatte zudem erklärt, Frankreich stehe zu den umstrittenen Mohammed-Karikaturen des Satiremagazins „Charlie Hebdo“.
„Macron gehört in psychiatrische Behandlung“, sagte Erdogan. Ohne die kürzliche Ermordung des französischen Lehrers Samuel Paty wegen der Verwendung der Mohammed-Karikaturen im Unterricht zu erwähnen, kritisierte Erdogan, dass die Karikaturen bei Gedenkveranstaltungen in Frankreich auf die Wände staatlicher Gebäude projiziert wurden: Das sei „ganz klar Islamfeindlichkeit“.
Der türkische Präsident griff zugleich die deutschen Behörden scharf an. Die Durchsuchung der Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg vorige Woche sei „respektlos“und nicht zu rechtfertigen. Die Moschee war wegen des Verdachts auf Betrug bei Corona-Soforthilfen durchsucht worden. Schon am Freitag hatte Erdogan erklärt, die Berliner Polizeiaktion sei von „Rassismus und Islamfeindlichkeit“motiviert gewesen. Europa nähere sich der „Dunkelheit des Mittelalters“.
Mit der Rückberufung des französischen Botschafters aus Ankara machte Macrons Regierung am Wochenende deutlich, dass Paris kaum noch Möglichkeiten sieht, die Probleme mit der Türkei gütlich beizulegen. Beleidigungen seien kein Mittel der Politik, erklärte der Elysée-Palast.
„Macron gehört in psychiatrische Behandlung“
Recep Tayyip Erdogan Präsident der Türkei