Wie Taylor Swift für ihr Recht kämpft
Die 30-Jährige streitet für Urheberrechte in der Musikindustrie. Aus diesem Grund will sie ihre frühen Alben neu aufzunehmen.
DÜSSELDORF Taylor Swift gewann mal wieder bei den American Music Awards, sie bekam drei Preise, darunter den für die Künstlerin des Jahres. Und, noch viel wichtiger: Hätte es eine Auszeichnung für die unverbrüchlichste und widerständigste Kämpferin im Pop gegeben, sie hätte ihn ebenfalls bekommen müssen.
Die 30-jährige Amerikanerin streitet gerade für die Aufwertung des Urhebers im US-Musikbusiness. Sie tut das emotional und öffentlich, sie nutzt die Aufmerksamkeit ihrer 140 Millionen Instagram- und 85 Millionen Twitter-Follower bewusst und geschickt.
Hintergrund des Streits ist die Tatsache, dass Swift bereits als 15-Jährige einen Plattenvertrag bei Big Machine Records unterzeichnete. Der Kontrakt sicherte dem Label weitgehende Rechte über das Werk Swifts zu. Im Gegensatz zum deutschen Markt sind solche massiven Rechtsübertragungen von Urhebern auf Labels in den USA möglich. Die Masteraufnahmen ihrer ersten sechs Alben, darunter millionenfach verkaufte Juwelen wie „Red“und „1989“, blieben denn auch bei Big Machine, als Swift 2018 zu Republic wechselte, einem Label, das zu Universal gehört.
Swift kämpfte um diese Masteraufnahmen, doch statt sie zu bekommen, wurde ihr „schlimmster Albtraum“wahr, wie sie selbst es nannte: Scooter Braun, ein Musikmanager, dem sie seit Jahren Mobbing vorwirft, kaufte das Label Big Machine und damit die Rechte an Swifts Songs für 300 Millionen Dollar. Scooter Braun ist zudem ein guter Bekannter von Kanye West, mit dem Swift ebenfalls über Kreuz liegt, seit der Rapper sie bei den Video Music Awards 2009 vor laufender Kamera demütigte. Sie entschloss sich also zu einer ungewöhnlichen Aktion: Sie drohte nicht nur an, alle ihr als Urheberin noch bleibenden Möglichkeiten zu nutzen, um zu verhindern, dass andere mit den frühen Aufnahmen Geld verdienen – etwa bei der Freigabe für Soundtracks. Sie kündigte außerdem an, die frühen Alben auf eigene Faust neu aufzunehmen, um die Originale wertlos zu machen. Vorbild dafür ist möglicherweise Prince, der Ähnliches vorhatte, als er sich mit Warner Records stritt. Plattenfirma und Künstler einigten sich damals indes, bevor Prince neue Versionen alter Hits veröffentlichte.
Tatsächlich drohte Braun an, Swift untersagen zu lassen, ihre Hits bei den American Music Awards 2019 oder in ihrer Netflix-Dokumentation zu spielen. Er wollte der Künstlerin also ihre Lieder wegnehmen. Swift machte diese Vorgänge öffentlich, Braun soll daraufhin Morddrohungen erhalten haben und lenkte ein. Allerdings verkaufte er die Swift-Rechte kürzlich ohne Swifts Wissen an ein Private-Equity-Unternehmen
namens Shamrock Holdings.
Swift bewegte 2015 bereits Apple zum Einlenken. Der Konzern wollte zum Start seines eigenen Streamingdienstes Lieder drei Monate gratis anbieten. Wenige Tage nach Veröffentlichung eines offenen Briefes
von Swift gab Apple nach. Der neue Vertrag bei Universal räumt ihr die Kontrolle über Kompositionen und Texte ein. In einem zweiten Schritt erkämpfte Swift eine Beteiligung für alle dort unter Vertrag stehenden Künstler, falls Universal seine Anteile an Spotify verkauft.
Taylor Swift ist so etwas wie die Heilige Johanna der amerikanischen Musikindustrie. Eine Frau, die gegen ein männerdominiertes Milieu kämpft. Und sie hat die Macht, dereinst als Siegerin dazustehen. Sie ist der erfolgreichste Popstar des vergangenen Jahrzehnts und auch dieses Jahres. Ihr Album „Folklore“setzte im Corona-Jahr thematisch und wirtschaftlich Standards. Nun nimmt sie also ihre frühen Alben neu auf. Und vielleicht erfindet sie damit ein neues Genre: die Wiederbegegnung mit dem eigenen Werk, die kreative Revision. Werde, wer du warst.
Kann man sich schon jetzt drauf freuen.