Ansturm lässt Impftermin-Seite kollabieren
Hunderttausende Bürger in Nordrhein-Westfalen haben versucht, am ersten Tag einen Impftermin zu bekommen. Callcenter und Website waren dem nicht gewachsen. Patientenschützer sind empört, die SPD fordert Aufklärung.
DÜSSELDORF Der Ansturm war gewaltig: 850.000 Bürger in NRW dürfen seit Montag einen Corona-Impftermin vereinbaren, Hunderttausende versuchten es am ersten Tag. Internetseiten und Callcenter waren überlastet. „Extrem hohe Zugriffszahlen auf die Webseiten und ein hohes Anrufer-Aufkommen führten zu erheblichen Verzögerungen bei der Terminbuchung“, teilten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) mit. Die Internetseite sei 700 Mal pro Sekunde aufgerufen worden, in der ersten Stunde habe es 250.000 Anrufe gegeben, erklärte die Sprecherin der KV Westfalen. „Am Vormittag mussten wir dann die Webseite vom Netz nehmen.“
Etwas besser lief es in Nordrhein, wo die KV eine andere Software einsetzt: „Unsere Seite coronaimpfung. nrw war durchgehend verfügbar, am Vormittag hakte es leider beim Termin-Portal termin.corona-impfung. nrw“, erklärte deren Sprecher. Bis zum frühen Abend konnten 244.300 Termine an 122.150 NRW-Bürger vergeben werden.
Besondere Probleme hatten Privatpatienten, die sich online anmelden wollten. Der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) wandte sich alarmiert an das Ministerium und mahnte: „An der Finanzierung der Impfungen ist die PKV entsprechend ihrem Versichertenanteil ebenso beteiligt wie die gesetzliche Krankenversicherung – also muss die praktische Organisation der Impftermine das auch für alle Versicherten gewährleisten.“In Westfalen wurde ein Teil der Anmeldungen durch den Zusammenbruch der Internetseite unterbrochen. Die KV-Sprecherin versprach: „Wer einen Code von uns bekommen hat, aber nur einen Termin ausmachen konnte, wird von uns kontaktiert.“
Das Gesundheitsministerium weist alle Kritik zurück: „Bei einem so großen Vorhaben kann es trotz intensiver Vorbereitungen auch mal ruckeln“, sagte eine Sprecherin von Karl-Josef Laumann (CDU).
„Die Internetseiten und Hotlines waren erwartungsgemäß dem ersten Ansturm nicht gewachsen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen arbeiten mit Hochdruck daran, diese Engpässe zu beseitigen.“
Die Vergabe läuft weiter, jeden Tag sollen neue Termine eingestellt werden. „Niemand muss sich Sorgen machen“, sagte Frank Bergmann, Chef der KV Nordrhein. „Es ist ausreichend Zeit für die Terminvergabe, zumal es bis Ende April dauern wird, bis wir allein die Gruppe der über 80-Jährigen ein erstes Mal geimpft haben.“
Denn weiterhin gibt es viel zu wenig Impfstoff. „Die Mengen reichen zunächst, um ab dem 8. Februar pro Woche etwa 70.000 Menschen in Impfzentren in NRW zu impfen. Bis Anfang April stehen damit 560.000 Dosen zur Verfügung“, so die KV. Das reicht nicht aus, um alle über 80-Jährigen zu impfen.
Die Stiftung Patientenschutz übt massive Kritik. „Die ersten, vergeblichen Versuche, per Hotline oder Internet einen Termin zu bekommen, verstärken den Frust. Das beschädigt die Impfbereitschaft schwer“, sagte Stiftungschef Eugen Brysch. Zugleich kritisierte er, dass die Länder die Vorgaben zur Priorisierung unterschiedlich umsetzen: „Obwohl die Reihenfolge in der Impfverordnung klar ist, macht jedes Land seine eigenen Regeln. Gerade die daheim lebenden über 80-Jährigen erfahren das Impfangebot als Zufall oder Willkür.“Sie sind in NRW erst an der Reihe, wenn es einen leicht kühlbaren Impfstoff gibt.
Auch die Opposition ist erzürnt. Die SPD-Landtagsfraktion beantragte für Mittwoch eine aktuelle Stunde zu den Schwierigkeiten und will Laumann in den Landtag zitieren. Dass die Terminvergabe kurz nach Beginn bereits wieder gestoppt wurde, führe „zu schweren Enttäuschungen der betroffenen Menschen“, erklärte die SPD. Die Politik müsse ehrlicher kommunizieren. Die Grüne kritisieren, dass das Land in Impfzentren statt über Hausärzte impfen lässt. „Das absolute Fokussieren auf die Impfzentren gerade zu Beginn ist nicht richtig gewesen“, sagte Mona Neubaur, Grünen-Chefin von NRW. Es sei unverständlich, dass man nun ab dem 8. Februar die über 80-Jährigen womöglich mit „Rollator zum Impfzentrum stolpern“lasse.