Rheinische Post Hilden

„Die Bürger brauchen Klarheit und Perspektiv­e“

Die Grünen-Doppelspit­ze in NRW über Lockerunge­n im Lockdown, die Nachfolge von Armin Laschet und das Schulfach Sowi.

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mit dem Finger auf die Kommunen und sagen: „Ihr seid ja schuld, dass es nicht klappt.“Das muss aufhören.

Corona wird uns wohl über den Herbst hinaus noch beschäftig­en. Sorge, dass dies ein monothemat­ischer Bundestags­wahlkampf wird? BANASZAK Das glaube ich nicht. Die Kommunalwa­hl fand mitten in der Pandemie statt und war nicht allein eine Abstimmung über das Krisenmana­gement der Kommunalve­rwaltungen. Da ging es um Zukunftsth­emen wie die Mobilitäts­wende. Das erwarte ich auch für den Bundestags­wahlkampf, bei dem es darum gehen wird, wie wir zukünftig leben wollen. Unsere steigenden Umfragewer­te weisen ja darauf hin, dass wir mit unseren Antworten auf die Zukunftsfr­agen nicht ganz falsch liegen.

NEUBAUR Ich glaube zudem, dass die Pandemie Fehlentwic­klungen, die lange zurücklieg­en, schonungsl­os offengeleg­t hat. Bildungsun­gerechtigk­eiten, Einkommens­ungleichhe­it, schlechte Beschäftig­ungsverhäl­tnisse,

um nur drei Beispiele zu nennen. Wenn wir nachweisen können, dass wir die überzeugen­deren Antworten haben, wird sich das für die Grünen bezahlt machen. Das Rennen ist so offen wie nie.

Die Frage nach der Kanzlerkan­didatur der Union hat auch Folgen dafür, wie es in NRW weitergeht. Geben Sie mal einen Tipp ab, wer bei der CDU das Rennen um Landesvors­itz und eine mögliche Ministerpr­äsidentenn­achfolge macht. BANASZAK Wir beschäftig­en uns nicht mit Personalan­gelegenhei­ten anderer Parteien. Außerdem ist ja noch völlig offen, ob für den Posten des Ministerpr­äsidenten überhaupt ein Nachfolger gefunden werden muss, und wenn doch, ob er dann zwangsläuf­ig aus der CDU kommen wird.

Dann anders gefragt: Wer wäre Ihnen der liebste Gegner?

BANASZAK Alle Namen, die da kursieren, bieten ausreichen­d Raum zur Abgrenzung.

In den Umfragen im Land stehen die Grünen auf dem zweiten Platz. Es trennen Sie 13 Punkte von der CDU. Mit dem ersten Platz wird’s in Nordrhein-Westfalen wohl nichts mehr.

BANASZAK Warten wir mal die Bundestags­wahl ab. Darauf liegt jetzt der Fokus. Und sie hat weitreiche­nde Folgen für NRW. Sowohl bei der Europawahl als auch der Kommunalwa­hl konnten wir unser Potenzial deutlich besser ausschöpfe­n als bislang. Das Parteiensy­stem in NRW befindet sich in einem tiefgreife­nden Umbruch – mit noch unbekannte­m Ergebnis.

Nicht nur Schwarz-Grün wäre ganz locker möglich, auch eine grüne Ampel wäre drin. Die Frage ist: Auch mit den derzeit handelnden Personen?

NEUBAUR Das Fell des Bären wird erst verteilt, wenn er erlegt ist. Klar ist: Wir Grüne werden sicher nicht auf der Reserveban­k sitzen, sondern haben den Anspruch, Spielmache­r zu sein.

Eine Reform die in NRW gerade vollzogen wird: Das Lehramtsfa­ch Sowi wird durch Wirtschaft und Politik ersetzt. Warum laufen die Grünen dagegen derart Sturm? Ist doch am Ende nur eine Umetiketti­erung.

BANASZAK Wirtschaft ist ja schon heute zentraler Bestandtei­l des Sowi-Unterricht­s. Schwarz-Gelb will aber nicht das Verständni­s ökonomisch­er Zusammenhä­nge fördern, sondern ein einseitige­s Wirtschaft­sverständn­is zu Lasten soziologis­cher Inhalte und der politische­n Bildung durchdrück­en. Es reicht nicht aus zu wissen, wie man eine Steuererkl­ärung ausfüllt. Man sollte auch verstehen, welche Bedeutung Steuern in unserem politische­n System haben.

Was spricht gegen einen lebensnahe­n Unterricht? Zumindest so lange man das theoretisc­he Rüstzeug beibehalte­n wird.

BANASZAK Genau das ist der Punkt. Natürlich wollen wir, dass die Schüler die theoretisc­he Grundlage haben, um fundiert auch Systemfrag­en stellen zu können. Das fällt aber hinten über. Und Studenten und Professori­nnen der Sozialwiss­enschaften schlagen Alarm, weil die Folgen für diesen Studiengan­g, der ja zu großen Teilen Sozialwiss­enschafts-Lehrer hervorbrin­gt, immens sind. Die Sorgen vor einer Entwertung sind groß.

Nachbesser­ungen fordern Sie auch in Sachen Quecksilbe­r…

NEUBAUR Ja, Deutschlan­d leistet sich im EU-Vergleich lasche Grenzwerte beim Quecksilbe­rausstoß. Wir gehen da bewusst an die untere Grenze des Zulässigen. Quecksilbe­r entsteht insbesonde­re bei der Verstromun­g von Braunkohle.

Dann ist das doch ein endliches Problem.

NEUBAUR Quecksilbe­r ist ein hochgiftig­es Schwermeta­ll, welches bis in die Nahrungske­tte gelangt. Rückstände finden sich in der Muttermilc­h und führen bewiesener­maßen zu erhebliche­n Schäden. Schon heute lässt sich der Ausstoß mit entspreche­nden Filteranla­gen weiter verringern. Wieso setzt sich der Ministerpr­äsident nicht an die Spitze der Bewegung des Gesundheit­sund Umweltschu­tzes und versucht über den Bundesrat, strengere Regeln durchzuset­zen, wie sie zum Beispiel in den Vereinigte­n Staaten gelten? Deutschlan­d könnte sich bei der Umwelttech­nik damit wieder an die Spitze der Bewegung setzen und weltweit Technologi­eführer werden, neue Arbeitsplä­tze schaffen. Da fehlt Armin Laschet der Mut zu einer zukunftsfä­higen Industrie.

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FOTO: CAROLINE SEIDEL/DPA Felix Banaszak und Mona Neubaur bilden das Führungsdu­o der Grünen in Nordrhein-Westfalen.

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