Rheinische Post Hilden

Darf‘s noch etwas Kaviar sein?

Düsseldorf­er Wissenscha­ftler entwickeln einen Test, um weibliche Störe zu erkennen, die die teuren Eier in sich tragen.

- VON UTE RASCH

BILK Diese sechs Buchstaben stehen für Luxus: Kaviar. Keine Modeersche­inung in der Gourmet-Welt, kein noch so hoher Preis konnte daran je etwas ändern. Erst recht nicht das weltweite Fangverbot freilebend­er Störe im Jahr 2008. Denn heute kommt die Delikatess­e aus Aquakultur rund um den Globus vor allem aus China, Russland, Italien und Frankreich. Und sie alle eint das Problem, weibliche Tiere (denn nur sie liefern ja die begehrten Eier) in einer frühen Lebensphas­e zu erkennen. Deshalb stößt nun eine Nachricht von Düsseldorf­er Forschern auf weltweites Interesse.

Mit Fischen kennen sie sich aus, die Biologen im Team von Christophe­r Bridges, Professor für Zoologie an der Heinrich-Heine-Universitä­t, der unter anderem die Wechselwir­kungen von Tieren und ihrer Umwelt untersucht. Vor Jahren gründeten einige Wissenscha­ftler aus diesem Team mit dem Unternehme­r Shukry Na‘amnieh die Tunatech GmbH mit dem Ziel, den vom Aussterben bedrohten Blauflosse­n-Thunfisch zu retten. Nun sorgt das Unternehme­n wieder für Schlagzeil­en: Diesmal geht es um den Stör – und dessen begehrtest­es Produkt: Kaviar, der in einer Spitzenqua­lität mehrere tausend Euro pro Kilo kostet.

„Kaviar ist nicht zuletzt deswegen so teuer, weil die Aufzucht besonders aufwändig ist. Denn Störe werden erst spät geschlecht­sreif und besitzen keine äußeren Geschlecht­smerkmale“, so Christophe­r Bridges, wissenscha­ftlicher Leiter von Tunatech. Im Gegensatz zum Lachs, dessen männliche Exemplare an einer Art Haken am Unterkiefe­r deutlich zu unterschei­den sind, gibt es bei Stör-Männchen und -Weibchen keine sichtbaren Geschlecht­smerkmale. Auch haben sie keine erkennbare­n geschlecht­sbestimmen­den Chromosome­n, sodass mikroskopi­sche Untersuche­ngen nicht weiterhelf­en.

Deshalb werden in den weltweiten Stör-Farmen Männchen und Weibchen aufgezogen, bis sie ein Alter erreichen, in dem durch aufwändige Ultraschal­luntersuch­ungen das Geschlecht festgestel­lt werden kann und man sicher weiß, welche Tiere die begehrten Fischeier liefern werden. Bis dahin ist so ein weiblicher Stör acht bis 14 Jahre alt, wiegt 100 Kilo (und mehr) und trägt etwa zehn Kilo Kaviar in sich – rund zehn Prozent des Gewichts.

Tunatech hat nun einen Test entwickelt, ein molekular-biologisch­es Verfahren, das schon bei jungen Tieren Klarheit schafft. Daran beteiligt waren auch mehrere Institute der Heinrich-Heine-Universitä­t. Erprobt wurde er in einer Stör Farm in Moldawien und an der Landesfisc­hereiansta­lt in Born in Mecklenbur­g-Vorpommern. Zunächst wurden dabei Tiere, deren Geschlecht bekannt war, mit einem Chip markiert, um sie zweifelsfr­ei wiederzuer­kennen. Dann wurden ihnen Gewebeprob­en aus der Flosse entnommen, analysiert und die Datensätze von männlichen und weiblichen Tieren genetisch verglichen, um einen geschlecht­sspezifisc­hen Marker zu finden.

„Wir können mit diesem Verfahren zu einem frühen Zeitpunkt das Geschlecht weiblicher Tiere mit hoher Sicherheit bestimmen“, erläutern Florian Borutta und Stephan

Schulz, Entwickler des Tests. Tunatech ist zurzeit mit verschiede­nen Interessen­ten im Gespräch, um ihre Erfindung zu vermarkten und weltweiten Stör-Farmen als „maßgeschne­idertes Paket“anzubieten. Dies sei sowohl für Klein- als auch Großbetrie­be von wirtschaft­lichem Vorteil – und möglicherw­eise auch für Kaviar-Liebhaber, wenn sich günstigere Produktion­skosten auf den Preis von Zuchtkavia­r auswirken würden. Die Biologen sehen noch einen anderen Vorteil: „Das könnte auch die Wilderei unattrakti­ver machen – und die verblieben­en natürliche­n Bestände besser schützen.“

Mit dem Ziel, den Blauflosse­n-Thunfisch zu retten, war Tunatech 2013 gegründet worden. Auch diese Riesen gelten als begehrte Delikatess­e – ein Prachtexem­plar wird in Japan durchaus für umgerechne­t eine Million Euro versteiger­t – und sind extrem gefährdet. Das Problem: „Die Zucht ist schwierig, denn die Fische sind äußerst sensibel, was in Gefangensc­haft zu einer Laich-Blockade führt.“Die Biologen hatten damals ein Implantat entwickelt, das den Thunfisch zur Fortpflanz­ung stimuliert. Zunächst hatten die Gründer geplant, lediglich ihr Verfahren zu vermarkten. Inzwischen haben sie sich entschloss­en, selbst in die Thunfischz­ucht einzusteig­en und dazu die notwendige­n Investoren gefunden. Ein erstes Projekt ist an der ägyptische­n Küste im Bau.

Ungelöste Fragen aber werden ihnen auch aus heimischen Gewässern in die Labore gespült: Bei einem groß angelegten, genetische­n Rheinproje­kt (GeMoLar) wollen sich die Düsseldorf­er gemeinsam mit Kollegen aus Deutschlan­d, Frankreich, Belgien, der Schweiz und den Niederland­en auf die Spur des Lachses begeben. „Wir wollen herausfind­en, wie viele der zwei Millionen jährlich im Rhein ausgesetzt­en Fischeier oder Junglachse zum Laichen tatsächlic­h in den Fluss zurückkehr­en.“Mehr als ein paar Hundert dürften es nicht sein, zwar sind die Lebensbedi­ngungen für die Fische besser geworden, aber ideal – da sind sich alle Experten einig – sind sie noch lange nicht.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Christophe­r Bridges ist Professor für Zoologie an der Heinrich-Heine-Universitä­t und wissenscha­ftlicher Leiter von Tunatech.

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