„Wir sind der Stadt egal“
Die Anwohner im Hinterhof des Schumann-Hauses verstehen nicht, warum die Bauarbeiten nicht weitergehen.
CARLSTADT Er zählt zu den schönsten Innenhöfen der Stadt, doch momentan ist er nur eine riesige, triste Baustelle. Aufgerissene Löcher und Gräben, Gitter und Absperrungen sowie ein massiver hölzerner Tunnel machen momentan den Hinterhof an der Bilker Straße 15 aus. Dabei ist die 15 eine besondere Adresse, denn dort befindet sich das Schumann-Haus, in dem Robert Schumann mit seiner Frau Clara bis 1855 lebte. Ein denkmalgeschütztes Haus mit weißer, schlichter Fassade und Torbogen.
Passanten, die an der Bilker Straße entlanggehen, sehen nicht viel davon. Eigentlich gar nichts, mit Ausnahme des Tunnels. Auffällig ist zunächst nur die an und auf der Straße eingerichtete Baustelle mit dem Absoluten-Halteverbot-Schild. Datiert „ab 30. März 2020“.
Anne Petrovic lebt seit ihrer Kindheit im Haus am Ende des Innenhofs. Das Haus, das nicht unter die Renovierung und Sanierung des Schumann-Haus-Ensembles gefallen ist. „Meine Eltern sind hier 1977 eingezogen“, sagt sie. Vater Hans hatte dort seine Goldschmiede,
G E R M
die inzwischen Ivonne Rutz übernommen hat, die ebenfalls in dem Haus zur Miete wohnt. Und die beiden Frauen sind sauer – stinkesauer. Denn es passiert seit Monaten nichts.
Da ihr Haus nicht von den Bauarbeiten betroffen ist, konnten sie im Gegensatz zum Musiker Thomas Beckmann und der Töpferin Ute Böhl wohnen bleiben. Während Beckmann im Ratinger Tor ein neues zu Haue gefunden hat, will Böhl nach Fertigstellung der Arbeiten wieder einziehen. Die Frage ist nur wann.
Denn eigentlich sollte schon im Herbst 2020 das Museum an der Bilker Straße fertig sein – mit teilweise überdachtem Innenhof, dem Anbau eines Aufzuges sowie dem Ausbau des Kellers. Zuletzt war allerdings die Rede davon, dass das Museum im Oktober dieses Jahres eröffnet werden soll.
Doch die beiden Frauen glauben nicht daran. „Hier passiert seit 1. August gar nichts mehr“, sagt Petrovic, „da waren die beiden Bagger plötzlich weg.“Und seitdem sei die großräumige Absperrung draußen kompletter Humbug, weil hier nichts stattfinde, sagt sie. Außerdem sei das Ganze geschäftsschädigend, fügt Ivonne Rutz hinzu.
Laufkundschaft gebe es für ihre Goldschmiede seit Einrichtung der Baustelle überhaupt nicht mehr. Und auch die Stammkunden mussten sich teilweise an den Baugeräten vorbeiquetschen. „Wir haben in der Weihnachtszeit ein bisschen geschmückt, aber wer hat das schon gesehen“, sagt Petrovic, „hier kommt doch keiner vorbei.“
Von dem unerträglichen Baulärm und dem Dreck in den ersten Monaten wollen die beiden Frauen gar nicht reden. Doch sie sind verärgert. Vergangenen Februar kam ein Schreiben, dass die Arbeiten in zwei Wochen losgehen. Den Zugang zum Goldschmiede-Atelier wollte die Stadt über eine Funkklingel an der Bastionstraße ermöglichen. Für die beiden Frauen ein Unding. „Wer macht denn den Umweg?“Aber sie hofften damals, dass die Arbeiten schnell vorüber seien.
Und weil seit August nichts mehr passiert ist, haben sie das zuständige Kulturamt am 11. September angeschrieben und nach dem Bauzeitenplan gefragt. Es passierte nichts. Sie schrieben eine Erinnerung am 26.Oktober und die Stadt antwortete am 10. November, bezugnehmend auf das Schreiben von vor zwei Monaten. Allerdings wird in diesem Schreiben in keiner Weise
auf den Bauzeitplan eingegangen beziehungsweise wann die Arbeiten wieder beginnen.
Die Baumaßnahmen mussten unterbrochen werden, weil statische Untersuchungen erfolgten, um die Standfestigkeit des historischen Ensembles zu gewährleisten, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion seitens der Verwaltung. Informationen, die nie an die beiden Frauen weitergegeben wurden. „Wir sind der Stadt egal, die nehmen uns nicht ernst, die haben uns und dieses wunderschöne Kleinod vergessen“, sagt Rutz. Petrovic ist mit ihrer Geduld am Ende: „Ich will endlich wissen, wie es weitergeht und wie lange es dauert.“
Das weiß momentan die Stadt auch nicht. Konkrete Angaben über den Eröffnungstermin des Museums gibt es nicht. Die werden „aktuell ermittelt“, heißt es. Weil die statischen Maßnahmen und die Dokumentation archäologischer Funde Auswirkungen darauf haben könnten.