Der Schwan ist nur noch halb so groß
Die Belegschaft und der Umsatz sind geschrumpft, jetzt hofft Gastronomin Kerstin Rapp-Schwan auf den Neustart und tolerante Gäste.
DÜSSELDORF Die Hoffnung ist da, dass es besser wird. Kerstin RappSchwan weiß manchmal aber nicht, woher sie die Zuversicht nehmen soll, dass es auch so kommt. Die Gastronomin, die mit ihrem Mann in Normalzeiten fünf Lokale betreibt, sagt: „Der Glaube lässt mich weitermachen, der Glaube, dass es wieder losgeht.“Es ist dieses Hin und Her zwischen tränentreibender Betrübnis und dem anpackenden Blick nach vorne, das eine Extraportion Kraft verbraucht. Corona mache mürbe, sagt Kerstin RappSchwan, dieser zweite Lockdown ziehe sich. Und dann nennt sie das Bild der Ketchup-Flasche, das ein Branchenkollege jüngst gebraucht hat. Der Moment, auf den alle warten, der so schön ist wie ein guter Traum. Die geöffnete Flasche ist voll, nichts kommt heraus, doch dann macht es Blubb – und peng, die Restaurants haben Hochbetrieb, weil alle wieder Lust aufs Leben haben. „Viele Leute haben doch das Portmonnee voll“, sagt die 47-Jährige, „sie konnten nicht in den Urlaub fahren, nicht essen gehen.“
Anfang 2020 hatte Kerstin RappSchwan Eu-Stress, also positiven Stress. Das beste Jahr der fast 20-jährigen Firmengeschichte stand bevor. Es fanden Einstellungsgespräche für die Terrassensaison statt, 20 neue Leute wurden gesucht. Ende Januar wurde der erste Corona-Fall in Deutschland gemeldet. Als die Bundeskanzlerin Mitte März die Bürger wegen der anrollenden Pandemie um Zurückhaltung bat, brach das Geschäft ein. Drei Schwan-Restaurants gibt es in Düsseldorf, eines in Neuss, die fünfte GmbH der Gruppe ist das Beethoven in Flingern. 140 Mitarbeiter zählte das Unternehmen. Dann kam der erste Lockdown, der vom 23. März bis zum 11. Mai andauerte.
Seit November ist die Gastronomie wieder geschlossen. Heute hat die Gruppe noch 70 Mitarbeiter, von denen 80 Prozent in Kurzarbeit sind. Das Unternehmen ist halbiert, beim Umsatz sogar mehr als das. 6,5 Millionen Euro waren es 2019, das Corona-Jahr läuft auf rund 40 Prozent dieser Summe hinaus. An Insolvenz hat das Gastronomen-Paar noch nicht ernsthaft gedacht, aber es hat sich bei einem befreundeten Insolvenzrechtler informiert, eine der fünf GmbHs stand ohne die staatlichen Hilfsmittel auf der Kippe.
Dezember- und Kurzarbeitergeld sind geflossen, die Diplom-Kauffrau spricht von einer großzügigen Hilfe. Aber sie pflegt eine gesunde Skepsis, was Vater Staat angeht. Ob die Unternehmen dieses Geld wirklich nicht zurückzahlen müssten, bleibe abzuwarten. Einige hunderttausend Euro hat das vor Corona schuldenfreie Unternehmen zudem aufnehmen müssen, um weiter existieren zu können.
Kerstin Rapp-Schwan ist, was die Gastronomie angeht, erblich vorbelastet. Ihr Vater Klaus hatte zwölf Steak-Restaurants, verkaufte sie an Whitbread und führte für das britische Unternehmen die Ketten Churrasco und Maredo zusammen, er hatte die Verantwortung für 74 Lokale. Der Vater ist schon lange in Rente, die Maredo-Story ist vorbei, jetzt geht es für die Branche insgesamt um die Zukunft. Kerstin Rapp-Schwan diskutiert mit, macht auf die Situation Hunderttausender aufmerksam. Sie ist in den Vorständen des Leaders Club und der FBMA (Food & Beverage Management Association), 2020 machte sie plötzlich TV-Karriere, saß bei Lanz und Böttinger. „Mich haben einige gefragt, wie ich das gemacht habe.“Sie sei da so reingerutscht, „ich mache das doch nicht für Kerstin und die Schwäne, sondern für Deutschland und die Branche“.
Zweimal kam NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart in ihre Restaurants, schaute sich zunächst Abstandsmodelle und später ein komplett digital organisiertes Restaurant an. Wie kann es bei einer Öffnung, so es die Pandemie zulässt, weitergehen? Rapp-Schwan geht von einem Hybrid-Modell aus, bei dem die Gäste auch im Lokal digital bestellen können. Ansonsten glaubt sie, dass die Branche beginne, wie sie vor dem Lockdown geendet habe: mit Trennwänden, Pappfiguren als Abstandshaltern, Luftfiltern, vielleicht komme die medizinische Maske beim Betreten des Restaurants als Pflicht.
Rapp-Schwan hofft vor allem auf tolerante Gäste, die anfangs bei Fehlern auch mal ein Auge zudrücken. Überall müssten die Teams neu zusammengestellt und geschult werden, nicht alles werde gleich perfekt laufen. Und, ganz wichtig: „Die Politik soll uns bitte zwei Wochen vorher sagen, dass es wieder losgeht, nicht wie beim letzten Mal 48 Stunden vorher.“Take away will sie ebenfalls weiter anbieten, nicht jeder traut sich gleich wieder in ein Restaurant. Aktuell gibt es die Speisen zum Abholen allerdings nur im Pempelforter Schwan an der Stern-/ Duisburger Straße, wo weiterhin auch gratis für Krankenhaus-Personal gekocht wird, sowie im Beethoven. Dort lohnt sich das Geschäft. Die anderen Standorte sind entweder zu zentral gelegen und aktuell fast menschenleer (Neusser Markt und Burgplatz Altstadt) oder zu bürolastig und wegen des Homeoffice-Booms nachfragearm (Roßstraße Derendorf ). Der Schwan am Burgplatz ist derzeit Corona-Teststation, am Tag vor Heiligabend wurden dort 1700 Proben genommen.
Wie die meisten anderen Menschen träumt auch Kerstin RappSchwan von ein paar Tagen Urlaub. Zu Ostern vielleicht, sonst im Sommer, Sonne wäre schön, die neunjährige Tochter müsse mal raus, denn natürlich ist die Familie durch die Situation belastet. „Es wird ein Urlaub mit Abstrichen, denn die Sorgen hat man im Gepäck.“Auf der Liege dürfte die Gastronomin auch mal träumen – vom Blubb.