Was Roses Wechsel über die Liga verrät
Dass Gladbachs Trainer im Sommer vorzeitig nach Dortmund geht, betrifft nicht nur die beiden Klubs. Dieser Vorgang lässt generelle Aussagen zu über das Funktionieren des Wirtschaftszweigs Profifußball zu.
MÖNCHENGLADBACH Auf den ersten Blick ist der Wechsel von Borussia Mönchengladbachs Trainer Marco Rose zu Borussia Dortmund im Sommer eine Angelegenheit zwischen zwei Vereinen. Eine, die bei den Gladbach-Fans die innere Abneigung gegenüber dem BVB bestärken dürfte. Doch dieser Wechsel ist viel mehr. Er sagt so viel aus über die Bundesliga als Ganzes, über Hierarchien, die Arbeit von Managern und Scouts oder die Karriereplanung Einzelner. Wir erklären, was die Personalie Rose über den deutschen Fußball verrät.
Die Nahrungskette ist zementiert
Die Gladbacher Borussia kann sich noch so strecken, den BVB in der Liga schlagen und auch am 2. März aus dem DFB-Pokal werfen – es wird alles nichts daran ändern, wie weit der BVB den Fohlen voraus ist. Dortmund und natürlich noch mehr die Bayern zahlen mehr, bieten die bessere Bühne und verlässlicher in jeder Saison Champions-League-Auftritte als Mönchengladbach es kann. Doch die Fohlen stehen wiederum in der Nahrungskette über Freiburg, Mainz, Bremen, Augsburg und Co. Und bedienen sich dort. Da können die anderen Vereine sich noch so strecken.
Die Schnelllebigkeit nimmt zu
Als Marco Rose am 29. Mai 2019 in Gladbach vorgestellt wurde, sagte er zur Entwicklung von Spielern: „Das ist mein Job. Dafür unterschreibe ich hier auch für drei Jahre, um Dinge zu entwickeln.“Das klang nach Langfristigkeit, nach etwas aufbauen wollen, also nach genau dem, was sich Fans wünschen. Doch zu dem Zeitpunkt hatte Rose eben auch den Vertrag unterschrieben, der die Ausstiegsklausel enthielt, ohne die er nicht nach Gladbach gekommen wäre, und die ihm nun den Weg nach Dortmund ebnet. Nach zwei
Jahren. Da mag er noch so für drei unterschrieben haben.
Trainer haben einen Karriereplan
Das Beispiel Marco Rose zeigt deutlich: Auch Trainer, zumindest die, die es sich leisten können, weil die Branche sie zu den Besten zählt, haben heutzutage einen Karriereplan. Borussia Mönchengladbach war, das mag jetzt hart sein für Fans, aus Marco Roses Sicht eben nicht das große Ziel am Horizont. Es war ein Zwischenschritt, eine gute Gelegenheit, als Trainer in der Bundesliga Fuß zu fassen und mit seiner Arbeit national wie international auf sich aufmerksam zu machen. Nicht weniger, aber vor allem auch nicht mehr. Bei Borussia Dortmund sollte man sich also dieselbe Frage stellen: Sind wir das Paradies für Herrn Rose? Wahrscheinlich ist man es nicht.
Vereine hängen am Fliegenfänger ihres Personals
Verantwortliche wie Max Eberl müssen heute mehr denn je eine Variable in ihre Planung integrieren: die Abhängigkeit von den
Interessen der Spieler – und zuweilen auch von denen eines Trainers. Ausstiegsklauseln, festgeschriebene Ablösesummen, Vertragsdauer – es sind die kickenden Angestellten, die die Konditionen diktieren, zu denen sie bereit sind, für einen Verein zu arbeiten, nicht der Verein. Der kann nur reagieren und, wie Eberl es tut, konsequent darauf bestehen, dass ein Spieler, der gehen will, dann rechtzeitig gehen muss, um eine Ablösesumme zu erzielen.
Klubs müssen Trainer scouten wie Spieler
Max Eberl hat nicht am Montag erst angefangen, einen Nachfolger für Marco Rose zu suchen. Er hat eine ständig aktualisierte Liste von Trainerkandidaten aus Europa in der Schublade, die seiner Art zu arbeiten und Fußball spielen zu lassen, entsprechen. Trainer werden gescoutet wie Spieler. Wer zu spät dran ist, kriegt die A-Ware nicht. Ja, es gibt genug Trainer ohne Job, die gerne bei Borussia anfangen würden, aber das ist nicht das Kriterium, nach dem Eberl sucht. So hat er Rose nicht gefunden, und Lucien Favre zuvor auch nicht.
Für Romantik ist kein Platz
Marco Rose entwickelt die Borussia weiter, bleibt zehn Jahre, und am Ende bauen sie ihm ein Denkmal – natürlich sehnen sich Fans nach Trainern (und Spielern), die sich mit ihrem Verein so sehr identifizieren wie sie selbst. Aber die Realität sieht nicht erst seit Rosenmontag anders aus. Die allermeisten Spieler und Trainer sind Passanten bei ihren Vereinen. Für Romantik bleibt da kein Platz.