Neue Zweifel an Serbiens Corona-Statistik
BELGRAD Selbstbewusst geizen Serbiens nationalpopulistische Machthaber in der Corona-Krise mal wieder nicht mit Eigenlob. „Wir haben die mit Abstand niedrigste Todesrate, die geringste Zahl von Neuinfizierten und testen am meisten Bürger von allen Staaten in der Region,“behauptete Serbiens Gesundheitsminister Zlatibor Loncar Mitte Februar stolz: „Und was die Impfungen angeht, sind wir der führende Staat in Europa.“Nicht alle, aber den Großteil seiner Behauptungen hat das Portal „instinomer.rs“beim Vergleich mit den Corona-Statistiken der Nachbarstaaten als falsch entlarvt. Inzwischen steigen Serbiens Infektionszahlen zwar ohnehin wieder steil. Doch die offiziellen Todeszahlen bleiben mit rund 15 Opfern bei über 3000 Infizierten pro Tag auffällig niedrig. Beim Vergleich mit anderen Staaten könne man den Eindruck erhalten, dass Serbien „die Medizin gegen das Virus gefunden hat, das den Planeten geschwärzt hat“, ätzt das Portal „nova.rs“: „Etwas ist faul an den Corona-Todeszahlen in Serbien.“
Tatsächlich sind auf der Website der Regierung „covid19.rs“seit Beginn der Epidemie insgesamt nur 4429 Todesfälle bei offiziell 456.450 Infizierten registriert: Serbiens
offizielle Todesrate von 0,97 Prozent beträgt damit weniger als ein Drittel des deutschen Werts (3,02 Prozent). Während sich Belgrad mit einer sehr niedrigen Todesrate brüstet, ist die Zahl von über 100 an Covid-19 verstorbenen Ärzten im Balkanstaat selbst im Vergleich zu den Nachbarn auffällig hoch. Serbiens Todeszahlen seien „völlig unrealistisch“, sagt der Epidemiologe Zoran Radovanovic: „Unseren Statistiken sollte man nicht glauben. Sie sind die ganze Zeit frisiert.“
Tatsächlich hatte das Webportal „Balkaninsight“schon im vergangenen Sommer enthüllt, dass die Todeszahlen vor der Parlamentswahl im Juni gezielt vertuscht wurden: Die offiziellen verkündeten Zahlen lagen bei nur einem Drittel der Zahl der staatlichen Covid-19-Datenbasis, die dem Portal zugespielt worden war. Belgrad wies den Vorwurf von frisierten Statistiken damals empört zurück. Doch später räumte selbst ein Krisenstabs-Epidemiologe ein, dass allein in Belgrad im Sommer dreimal mehr Covid-19-Patienten starben als vermeldet. Nicht nur die sprunghaft vermehrten Todesanzeigen und die Sonderbestattungsschichten der Friedhöfe nähren den Verdacht, dass auch bei Serbiens Infektionswelle im Winter kräftig an den Statistiken geschraubt worden ist.