Mehr Mut zur Farbe
Graffiti können ganze Stadtteile aufwerten. Es müssten nur Flächen freigegeben werden. Gefragt sind Stadt wie Privatleute.
DÜSSELDORF Es gibt Orte in Düsseldorf, die sind dunkel, trist und grau. Meist Unterführungen und Tunnel, aber auch Fassaden und Baustellenzäune, die dringend ein bisschen Farbe vertragen könnten. Das ist Streetart, wie die Kunstform neudeutsch heißt, die in Zeiten von Corona und Abstand beliebter denn je ist. Ein schöner Zeitvertreib, wo Sport wegfällt, Kultur, Gastronomie, eigentlich alles, was Spaß macht.
„Wir haben tatsächlich mehr Dosen verkauft“, sagt Patrick van den Heuvel, der in einem Hinterhof an der Ackerstraße vor 20 Jahren Supreme Graffiti eröffnet hat, einen Laden, in dem es Sprühdosen zu kaufen gibt. Van den Heuvel sprayt selbst seit 25 Jahren, und er ist überzeugt, „dass mehr Flächen für diese Subkultur geschaffen werden sollten“. Aber er weiß auch: „Wenn es mehr legale Flächen gibt, heißt das noch lange nicht, dass die illegalen Graffiti weniger werden.“
Und da ist wohl auch der Knackpunkt: Denn gerade die Schmierereien machen es den ehrlichen, den guten Künstlern wohl so schwer, legale Flächen zu bekommen. Nach wie vor gibt es die Debatte, ob Graffiti nun wirklich Kunst sind oder nicht. Wenn aber Mauern und Wände bereitgestellt werden, dann kommen sie auch, die Sprayer, die guten, die talentierten, die, die Kunst machen wollen. Das haben wir zuletzt im Sonnenpark gesehen, wo gerade bei gutem Wetter die Farbe manchmal kaum trocken war, als schon der nächste sein Motiv sprühte.
Der Verein Verbunt fordert schon lange mehr Halls of Fame, bisher gibt es die nur an der Vennhauser Allee in Eller – eine zugige Unterführung. Da ist die Lage im Sonnenpark schon schöner. Es müssen auch nicht immer wechselnde Motive sein, „man könnte Flächen auch einmalig freigeben“, sagt van den Heuvel, zum Beispiel Bauzäune. Zwischen Kö-Bogen I und II steht aktuell einer aus Holz, der schon mit hässlichen Schriftzügen bemalt wurde. Eine so prominente Stelle würde sicher unzählige gute Künstler anziehen, wenn denn das Sprayen erlaubt würde. Eine ähnliche Aktion hat es schon an der Gerresheimer Glashütte gegeben, wo sogar ein Wettbewerb gestartet wurde. „Oft verhindern legale Graffiti, dass illegale gesprüht werden“, sagt van den Heuvel, der sich wünscht, dass auch mehr Privatleute Flächen bereitstellen.
Ein Vorreiter in Sachen Wandgestaltung ist Klaus Klinger von Farbfieber, der Dutzende Fassaden bemalt hat. Eines der bekanntesten Werke ist „Das Tor zu Flingern“an der Ackerstraße. Aber auch in Bilk hat sich Klinger gemeinsam mit anderen Künstlern ausleben können, und die Bilder sind immer wieder einen Stopp wert. Selbst Werber machen sich die Methode inzwischen zu eigen, ganz aktuell zu sehen an der Ellerstraße. Das ist zwar umstritten, aber gut aussehen tut es, zumindest besser als die karge Fassade vorher.
Graffiti können sogar helfen,
S-Bahnstationen aufzuwerten. Im Sommer 2020 hatte Tubuku den Tunnel an der Haltestelle Eller-Süd bemalt, ausschließlich Motive mit Bezug auf den Stadtteil gewählt. In den letzten Jahren bekam die Station beim Test des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr durchweg schlechte Noten, vor allem bemängelten die Kontrolleure die Schmierereien. In diesem Jahr aber gab es ein „ordentlich“für die Haltestelle, sicher liegt das auch am Erscheinungsbild des Tunnels. Vor Kurzem hat Verbunt nachgezogen und die Unterführung am Bahnhof in Oberbilk bemalt. Der Bürgerverein im Stadtteil ist hellauf begeistert.
Dass es immer noch unzählige Problemstellen gibt in Düsseldorf, müsste nicht sein. Der Paulsmühlentunnel am Benrather S-Bahnhof gehört dazu, die Unterführung am S-Bahnhof Rath könnte ganz dringend Farbe vertragen, der Fußgängertunnel unter der Grafenberger Allee am Staufenplatz gehört ebenfalls in die Liste unansehnlicher Orte. Die meisten der genannten Flächen sind im Besitz der Deutschen Bahn oder der Stadt, die bisher eher vorsichtig waren im Umgang mit öffentlicher Kunst. Dabei könnte es so einfach sein, „eine Win-win-Situation“, findet Patrick van den Heuvel, der anregt, dass die Stadt Kurator sein und Flächen ausschreiben könnte. „Wenn wir freie Hand haben, sind wir auch bereit, allein für die Kunst zu arbeiten“, sagt van den Heuvel. Eine schöne Idee, und solange alle Regeln eingehalten werden, sollte die Stadt über die Idee nachdenken.