Der Dax ist vorerst nicht aufzuhalten
Der Börsenindex ist kurz davor, die 15.000-Punkte-Marke zu knacken. Die Börse hat den Aufschwung vorweggenommen.
DÜSSELDORF Man wird mitunter das Gefühl nicht los, nichts und niemand könnte den Deutschen Aktien-Index (Dax) auf dem Weg zu immer neuen Rekorden aufhalten. Gerade noch hatten wir uns an den Gedanken gewöhnt, der Dax könnte schon in diesem Jahr die 15.000-Punkte-Marke knacken, da hat er womöglich schon Kurs auf die übernächste Tausender-Stufe genommen. So ändern sich die Zeiten: Als der Fondsmanager Jens Ehrhardt im Juli des vergangenen Jahres im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ein Jahresziel von 16.000 Punkten für den wichtigsten deutschen Börsenindex ausrief, wurde er von manchen noch belächelt. Das hat sich nachhaltig geändert.
Die Börse hat den allseits erwarteten wirtschaftlichen Aufschwung für die nächsten Monate längst vorweggenommen. Aber am Ende ist das Hoch in manchen Kursen vielleicht schon eingepreist. „Wir glauben weiterhin an einen Dax-Stand von 15.000 Punkten in den nächsten Monaten, aber im zweiten Halbjahr wird es nicht mehr so stark nach oben gehen“, meint Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank. Er sieht eher eine „Schaukelbörse mit in der Summe kleinem Kursplus“.
Vorerst geht’s noch weiter nach oben: Geld ist dank der extrem lockeren Finanzpolitik der Europäischen Zentralbank in Massen vorhanden, die Nullzinsen verbieten jedem rational denkenden Anleger eigentlich ein Investment in viele Produkte, die Unternehmensgewinne steigen noch, die Wall Street liefert Vorlagen für weitere Kursanstiege auch an den europäischen Aktienmärkten. Befeuert natürlich auch durch das billionenschwere Konjunkturprogramm des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Erst recht, wenn ein Teil der Amerikaner die 1400 Dollar, die er als Krisenhilfe vom Staat bekommt, direkt wieder in Aktien investiert.
Geht das immer so weiter? Oder trübt die Hoffnung auf den großen
Aufschwung den Blick der Anleger für immer noch existente Pandemie-Probleme wie Mutationen und Impfschwierigkeiten? Tatsache ist: Corona ist ungeachtet steigender Infektions- und Inzidenzzahlen für Börsianer offensichtlich längst nicht mehr das schwerwiegendste Problem. Wäre das so, hätten schon im vergangenen Jahr die Kurse gar nicht in dem Ausmaß steigen dürfen, in dem sie das getan haben.
Ein größeres Schreckgespenst ist da schon eher die Inflation. Der deutliche Schub bei den Benzinpreisen könnte sie anheizen, als Folge davon könnten längerfristig auch die Zinsen nach oben gehen. Steigende Zinsen würden aber Kredite für Unternehmen und Verbraucher verteuern und damit das Wirtschaftswachstum bremsen. Zudem würden sie alternative Anlagen wie Anleihen, Tages- und Festgeld für die Investoren wieder attraktiver machen.
Das ist natürlich noch Zukunftsmusik. Näher zu liegen scheinen andere mögliche Hemmnisse: „Irgendwann
muss die Politik sagen, wie sie die Ausgabenpolitik in der Corona-Krise finanzieren will“, so Schickentanz. In den USA und Großbritannien beispielsweise würden schon Steuererhöhungen diskutiert.
Dazu kommen womöglich Schwierigkeiten für einzelne Branchen kommen. Wer Geld beispielsweise in die Aktien von Autobauern stecken will, sollte wissen, dass die Konzerne seit geraumer Zeit mit Lieferproblemen der Chiphersteller zu tun haben und das sich das zumindest in nächster Zeit noch nicht ändern wird. Die Gewinne könnten deshalb geringer ausfallen als erhofft. Bei den Banken beteuern stets alle, sie hätten ausreichend Vorsorge gebildet für mögliche faule Kredite aus der Corona-Krise, aber auch da gibt es Zweifler. Zyklische Aktien, die derzeit als gutes Investment gelten, könnten bei sich abschwächendem Wachstum in der zweiten Jahreshälfte auch wieder an Attraktivität verlieren, glaubt Schickentanz.