Ein Gedenkwald für die Opfer
Italien trauert um die Corona-Toten. In Bergamo weiht Premier Mario Draghi eine Gedenkstätte ein.
BERGAMO (dpa/jmm) Anlässlich eines Gedenktages für die Corona-Toten in Italien hat Ministerpräsident Mario Draghi in der Stadt Bergamo der Opfer gedacht. „Dieser Ort ist ein Symbol für den Schmerz einer ganzen Nation“, sagte der frühere Chef der Europäischen Zentralbank am Donnerstag vor wenigen Dutzend Anwesenden. Die Menschen in Bergamo hätten „schreckliche Tage erlebt“, in denen sie keine Zeit gehabt hätten, um ihre Lieben ein letztes Mal zu begleiten. Vor rund einem Jahr gingen erschütternde Bilder von Militärlastwagen um die Welt, die Särge mit Corona-Toten aus Bergamo fuhren. Die Armee musste die vielen Toten damals in Krematorien anderer Städte bringen, weil vor Ort kein Platz mehr war.
Draghi weihte außerdem gemeinsam mit Bergamos Bürgermeister Giorgio Gori einen Gedenkwald ein und legte am Friedhof der Stadt einen Kranz nieder. Der Wald soll später aus Obst- und Waldbäumen bestehen, die für die Toten des Corona-Ausbruchs stehen. In ganz Italien wurde an diesem Donnerstag der Toten gedacht, vielerorts hingen die Fahnen auf halbmast.
Insgesamt hat sich die Corona-Lage auch in Italien wieder verschärft. Seit Montag ist wieder Lockdown. Betroffen sind die Regionen Latium und Lombardei mit der Hauptstadt Mailand, aber auch Kampanien mit Neapel, die Emilia-Romagna, Venedig und Venetien, Piemont – also insgesamt rund 40 Millionen Einwohner. Die neue Regierung von Ministerpräsident Draghi entschied sich vergangene Woche wegen ansteigender Infektionszahlen für diese Maßnahme. Der restliche Teil des Landes ist „orange Zone“, das heißt, der Lockdown ist dort etwas weniger streng. Davon sind etwa die Toskana,
Ligurien, Sizilien, Umbrien und Kalabrien betroffen. Nur auf Sardinien herrscht so etwas wie Normalität. Für die Osterfeiertage verfügte die Regierung einen Lockdown für das ganze Land.
Grund für die starken Einschränkungen sind die steigenden Infektionsund Opferzahlen. Schon Anfang der Woche meldeten die italienischen Gesundheitsbehörden mehr als 15.000 Neuansteckungen und mehr als 300 Tote pro Tag. Insgesamt starben in Italien nun bereits mehr als 100.000 Menschen an oder mit Corona. Auch die Lage in den Krankenhäusern spitzt sich wieder zu. Insgesamt sind derzeit über 25.000 Menschen im Land mit einer Covid-19-Infektion in stationärer Behandlung, gut 3000 liegen auf der Intensivstation. In den am meisten betroffenen Regionen, der sogenannten roten Zone, ist die Fortbewegung außer Haus nur für die Arbeit oder aus triftigen Gründen zugelassen. Nur Geschäfte der als essenziell eingestuften Branchen, etwa Supermärkte und Apotheken, sind geöffnet. Restaurants dürfen Speisen zum Mitnehmen anbieten. In den sozialen Netzwerken kursiert das Bild einer verzweifelten Restaurantbetreiberin in Ostia bei Rom. Sie sitzt vor ihrem Herd, den Kopf auf den Knien. Das Bild drückt Erschöpfung und Mutlosigkeit aus, symptomatisch für das ganze Land.
Am Wochenende hatte die Regierung ihre neue Impfstrategie vorgestellt. Bis September sollen mindestens 80 Prozent der Italiener geimpft sein, hieß es dabei. Vor dem Stopp für den Impfstoff von Astrazeneca wurden in Italien täglich rund 170.000 Impfdosen verabreicht, diese Zahl sollte auf 500.000 angehoben werden. Experten zweifeln an der Einhaltung des Zeitplans.