WIlderer nehmen mehrere Hundert Euro für die Beschaffung eines Jungtiers
BELGRAD/BUKAREST rund 6000 wird die Zahl der Braunbären von offiziellen Regierungsstellen, auf 10.000 von Jägerverbänden und auf 2000 bis 4000 von Tierschutzorganisationen geschätzt. Während Jäger und Landwirte auf vermehrte Abschüsse der eigentlich geschützten Sohlengänger dringen, machen Umweltschützer auch die fortschreitende Abholzung der Karpatenwälder für vermehrte Attacken sogenannter Problembären gegen den Menschen verantwortlich: Es sei das Schrumpfen ihres Lebensraums, das Bären auf Nahrungssuche selbst die Müllcontainer von Vororten durchstöbern lasse.
Seit 2015 ist die Zahl der genehmigten Abschüsse von Bären von zuvor 200 bis 250 auf 400 bis 450 pro Jahr gestiegen. Doch es sind nicht nur Jagdtouristen und Wilderer, kreischende Kettensägen, durch die Wälder knatternde Motocross-Fahrer oder verwilderte Hirtenhunde, die die Muttertiere verschrecken und ihrem in Panik zurückgelassenen Nachwuchs zu schaffen machen. Nach den Erkenntnissen heimischer Tierschützer floriert der illegale Handel mit Bärenfleisch, Jagdtrophäen und jungen Lebendtieren. Eine Annahme ist, dass diese aufgezogen werden, um geschlachtet zu werden. Eine andere These ist, dass die Welpen auf dem russischen oder ukrainischen Schwarzmarkt landen.
Mit versteckter Kamera filmten Reporter des Senders Pro TV schon 2018 lokale Wilderer, die für mehrere Hundert Euro pro Tier die Beschaffung von Bärenwelpen versprachen – eine Übergabe wurde allerdings nicht dokumentiert. Stichfeste Beweise für den Handel mit Bärenwelpen
gebe es noch kaum, aber es mehrten sich die Indizien, sagt Livia Cimpoeru von der Umweltschutzorganisation WWF in Bukarest.
So tauchten in Rumäniens sozialen Medien regelmäßig Aufnahmen von in Privathaushalten gehaltenen Bärenwelpen auf. Für landesweite Schlagzeilen sorgte 2019 der Fall eines Waldarbeiters in Harghita, der beim versuchten Raub von Bärenwelpen vom aufgebrachten Muttertier getötet wurde.
Mit einem 2020 in elf europäischen Staaten angelaufenenen Aktionsprogramm müht sich die WWF, den grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen der Justiz und Naturschützern über illegalen Tierhandel zu verbessern. Denn Rumänien ist keine Ausnahme: Auch in Staaten wie Tschechien, Albanien, der Ukraine oder Bosnien wurde in den vergangenen Jahren über den Handel mit Bärentrophäen, Bärenfleisch und Lebendtieren berichtet. Allein in der Ukraine wurden von 2010 bis 2019 nicht weniger als 2847 Exporte registriert – darunter 110 lebende, meist an Zoos oder Zirkusse verkaufte Sohlengänger.
Nach dem öffentlichen Aufschrei des Entsetzens über die misshandelten Bärenwelpen von Neamt scheint zumindest Bukarest der WWF-Forderung nach entschiedenerer Verfolgung des illegalen Bärenhandels endlich Gehör zu schenken. Sollte sich der bisher unbestätigte Verdacht des Handels mit Bärenwelpen erhärten, werde das Direktorat für Organisierte Kriminalität die Ermittlungen übernehmen, versichert Rumäniens Umweltminister Tanczos Barna: „Nichts wird bei den Ermittlungen vertuscht werden.“