Söder und Kretschmann appellieren an ihre Amtskollegen
Zwischen Bund und Ländern verschärft sich der Ton. Gesundheitsexperten kritisieren das Verhalten und fordern einen harten Lockdown.
BERLIN Im Kampf gegen die CoronaPandemie kehrt derzeit keine Ruhe ein zwischen Bund und Ländern. Nun fordern Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) in einem gemeinsamen Brief ihre 14 Ministerpräsidenten-Kollegen zu einer strikten Anti-Corona-Politik mit einer konsequenten Umsetzung der Notbremse in Hotspots auf, auch mit nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. Zudem plädieren die Regierungschefs von Bayern und Baden-Württemberg für eine Corona-Testpflicht an den Schulen nach den Osterferien. „Die dritte Welle rollt seit einigen Wochen unerbittlich über das Land. Die Lage ist ernst, ernster, als viele glauben“, heißt es in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt. „Wir müssen daher unsere Verantwortung jetzt wahrnehmen und dürfen nicht länger diskutieren. Das Virus verzeiht keine Verzögerungen“, mahnen Söder und Kretschmann.
„Alle Instrumente, wie wir das Virus bekämpfen können, sind vorhanden – vor allem sind sie gemeinsame Beschlusslage“, betonen die beiden Ministerpräsidenten. „Getragen von einem einheitlichen Geist gilt es jetzt, die Notbremse ohne weiteres Überlegen und Zögern konsequent umzusetzen. Hierzu gehören nächtliche Ausgangsbeschränkungen und adäquate
Kontaktbeschränkungen bei einer Inzidenz über 100 sowie eine konsequente FFP2-Maskenpflicht und Tests.“Für die Zeit nach den Osterferien fordern beide, man müsse sich über einheitliche Regelungen verständigen, „insbesondere über eine Testpflicht an den Schulen“.
Mit ihrem Brief setzen sich Söder und Kretschmann an die Spitze der Regierungschefs in den Ländern, inszenieren sich als diejenigen, die hart durchgreifen – anders als Armin Laschet, der zuletzt zögerlicher aufgetreten war und sich gegen Kritik von Kanzlerin Angela Merkel wehrte. Sie hatte ihm vorgeworfen, als NRW-Ministerpräsident gegen die Beschlüsse der Notbremse zu verstoßen. Söder dazu am Dienstag:
„Ich finde es auch sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzende mit der CDU-Kanzlerin ein halbes Jahr vor der Wahl streitet.“Corona sei überall gleich. „Also müssen wir es auch einheitlich bekämpfen.“
Kritik an dem Zoff zwischen Bund und Ländern kommt vor allem von Experten aus dem Gesundheitswesen. Der neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagte unserer Redaktion: „Die derzeitige politische Kommunikation sorgt weder für Glaubwürdigkeit noch für Vertrauen in der Öffentlichkeit. Wenn der eine Ministerpräsident vor Inzidenzraten von 700 warnt und der andere sein gesamtes Bundesland zum Modellversuch erklärt, ist das aus meiner Sicht das genaue Gegenteil dessen, was die Bürgerinnen und Bürger von der Politik erwarten dürfen“, kritisierte Gaß und nahm zudem Mediziner in den Blick. „Ich bin auch davon überzeugt, dass die Schreckensszenarien, die aus dem Bereich der Intensivmedizin seit Tagen verbreitet werden, weder in der Politik noch in der Bevölkerung zu den damit wahrscheinlich beabsichtigten
Auszug aus dem Brief von Söder und Kretschmann Reaktionen führen werden.“Die Krankenhäuser würden nicht unmittelbar vor einer totalen Überlastung stehen, sagte Gaß.
Doch führende Intensivmediziner halten dagegen. „Seit Mitte März sind unterm Strich 1000 Intensivpatienten zusätzlich in den Krankenhäusern gelandet. Wenn sich diese Geschwindigkeit fortsetzt, sind wir in weniger als vier Wochen an der regulären Kapazitätsgrenze angelangt“, sagte der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis. „Derzeit sind noch 1500 bepflegbare Intensivbetten für Covid frei. Wir malen keine Schreckensbilder, unsere Warnungen sind von den Zahlen gedeckt“, sagte Karagiannidis.
„Das Virus verzeiht keine Verzögerungen“