Superheld von der Ersatzbank
Die Amazon-Reihe „Invincible“spricht Fans der hochwertigen Comic-Kultur an.
Die große Welle an fotorealistischen Comic-Adaptionen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten Milliardengewinne generierte, hat dazu geführt, dass sich die Filmindustrie auch wieder dem Originalformat zuwendet. Vor zwei Jahren brachte Marvel mit „Spider-Man: Into the Spider-Verse“den Spinnenmann wieder in Zeichentrick-Gestalt auf die Leinwand – nicht als Nischenprodukt für eine eingeweihte Fangemeinde, sondern als internationalen Blockbuster, der weltweit 375 Millionen Dollar einspielte.
Nun geht Amazon Prime mit der Serie „Invincible“einen ähnlichen Weg. Die Comic-Reihe von Robert Kirkman, der auch für die Graphic-Novel-Vorlage von „The Walking Dead“verantwortlich zeichnet, umfasst 144 Ausgaben und liefert mehr als genug Stoff für die acht jeweils knapp einstündigen TV-Episoden.
Die Faust steil nach oben recken und ab in den Himmel fliegen – davon träumt der Teenager Mark, der darauf wartet, dass seine Superkräfte endlich in ihm erwachen. Papa Omni-Man hat als außerirdischer Schutzpatron geschworen, den Planeten Erde zu verteidigen und schlägt zusammen mit den Superhelden-Kollegen der „Guardians of the Globe“äußere und innere Feinde der Menschheit windelweich.
Als der Junge endlich zu Kräften kommt, wird es für den Superhelden-Azubi auch gleich ernst. Das
Elite-Team liegt auf der Krankenstation im Pentagon, und die Nachwuchsverteidiger rücken von der Ersatzbank aufs Schlachtfeld. Da gilt es nicht nur hartnäckigen Alien-Befall abzuwenden, sondern auch eine Verschwörung aufzudecken, die bis in die eigene Familie reicht.
Im Gegensatz zu den meisten Marvel- oder DC-Comic-Helden ist „Invincible“erst in den 2000ern entstanden. Und so trägt die jugendliche Hauptfigur die ganze Unsicherheit der Millennium-Zöglinge in sich und muss sich vom Alles-Könner-Vater Omni-Man (Nomen est omen) abgrenzen, der die Selbstgefälligkeit der Boomer-Generation in konzentrierter Form in sich trägt.
Der Vater-Sohn-Konflikt nimmt hier durchaus Freud‘sche wie Shakespeare‘sche Ausmaße an, und auch das Arsenal der außerirdischen Bedrohungen, die auf die Erde niederregnen, hat es wirklich in sich. Neben den ersten Erfahrungen
als Superheld stehen außerdem noch romantische Begegnungen für Mark auf dem Programm, der sich zu seiner coolen, feministischen Mitschülerin Amber genauso hingezogen fühlt wie zur energischen Superheldin Eve.
Auch beim Umgang mit Geschlechter-Stereotypen spürt man die Aktualität der Vorlage, die weniger stark von männlichen Allmachtsfantasien geprägt ist, als man es von den Seilschaften in „Avengers“oder „Justice League“gewohnt ist. Dabei pendelt der Plot überraschend entspannt zwischen Actioneinlagen, jugendlicher Selbstfindung und Familienkonflikten hin und her. Visuell bleibt die TV-Serie nah an der graphischen Gestaltung der Vorlage, was vor allem Fans der qualitativ hochwertigen Comic-Kultur freuen wird.
Info Die Serie „Invincible ist zu sehen bei Amazon Prime.