Rheinische Post Hilden

Der VfB 03-Fußballer widmet sich nun der hohen Kochkunst

Nach dem dritten Kreuzbandr­iss beendet der Hildener seine Sport-Karriere und setzt auch beruflich ganz neue Akzente – im Gourmet-Restaurant.

- VON BIRGIT SICKER

HILDEN Der dritte Kreuzbandr­iss war für Marvin Bell letztlich einer zu viel: Der Hildener beendete im Spätsommer des vergangene­n Jahres endgültig seine Karriere als Fußballer. Einen Tag vor seinem 28. Geburtstag im August 2019 ahnte der Mittelfeld­akteur noch nicht, dass er in der Partie gegen den TV Kalkum-Wittlaer für die zweite Mannschaft des VfB 03 letztmalig die linke Außenbahn beackerte. „Im schlimmste­n Fall ist das ein Kreuzbandr­iss. Das ist für Marvin, aber auch für die Mannschaft sehr bitter“, ordnete Trainer Tim Schneider, von Beruf Physiother­apeut, die folgenreic­he Verletzung seinerzeit gleich richtig ein.

Bereits in der A-Jugend verzeichne­te Bell gleich zwei Mal hintereina­nder einen Kreuzbandr­iss im linken Knie. „Das war Pech. Ich war auf dem Sprung in die Erste, aber die Chance war dann weg“, erinnert sich der Hildener, der in 2021 das 30. Lebensjahr vollendet. Nach harten Monaten der Reha startete der Mittelfeld­akteur sein Comeback,

„Ich bin ein sehr ehrgeizige­r Typ und kann schlecht verlieren, egal ob beim Fußball oder Gesellscha­ftsspiel“

Marvin Bell Ex-Spieler des VfB 03 Hilden II

doch das war nur von kurzer Dauer, da die Muskulatur des lädierten Knies der Belastung nicht standhielt. Erst eine zweite Operation beim damaligen Mannschaft­sarzt des 1. FC Köln brachte Besserung. Erneut musste Bell rund acht Monate pausieren, stellt jetzt aber mit einem verschmitz­ten Lächeln fest: „Immerhin hat das Knie danach acht bis neun Jahre gehalten.“Zugleich gesteht er: „Ich bin ein sehr ehrgeizige­r Typ und kann schlecht verlieren, egal ob beim Fußball oder bei Gesellscha­ftsspielen. Ich bin auf dem Platz dahin gegangen, wo es weh tut, hatte keine Angst.“Doch nun, nach dem dritten Mal – diesmal war das rechte Knie betroffen – regierte die Vernunft.

Marvin Bell, der Sportwisse­nschaft mit dem Ziel Lehramt studierte, erzählt: „Im letzten Jahr Mai stand ich vor einer schwierige­n Entscheidu­ng. Ich habe mich selbst hinterfrag­t, was ich möchte. 30 Jahre als Lehrer arbeiten – das wollte ich nicht. Nach vielen Gesprächen mit meiner Freundin und meiner Familie war klar, dass ich etwas anderes möchte.“Bell setzt hinzu: „Das ist mein Leben, in dem ich glücklich werden will. Deshalb habe ich mich entschloss­en, eine Ausbildung zum Koch zu machen.“

Sein Studium finanziert­e sich der Fußballer noch als Aushilfe bei einem Schnellres­taurant in der Nähe des Hildener Autobahnkr­euzes. Seit

September jedoch widmet er sich der Haute Cusine – Marvin Bell begann eine Lehre im renommiert­en Restaurant „Hopmanns Olive“, das dem historisch­en Lokschuppe­n in Erkrath am Ziegeleiwe­g 1-3 angeschlos­sen ist. Ein Quantenspr­ung? Marvin Bell schmunzelt und erklärt: „Ich mag gute Burger, aber ich probiere auch gerne etwas Neues aus. Ich habe Freude daran, ein Drei-, Vier- oder Fünf-Gänge-Menü

zu versuchen, Kreativitä­t auf den Teller zu bringen. Wenn ein Teller gut aussieht, macht das den Gast glücklich und ich habe Lust, dass dann wieder hinzubekom­men. Ich habe schnell gelernt, alles akkurat zu machen.“

Auf den Geschmack gekommen ist Marvin Bell durch seinen Vater. „Papa ist auch ein guter Koch – da habe ich viel mitgenomme­n“, betont der Sportler und erzählt weiter: „Vor drei Jahren bin ich mit meiner Freundin zusammenge­zogen und habe dann das Kochen übernommen.“Als die Entscheidu­ng gefallen war, das Hobby zum Beruf zu machen, gab die Schwiegerm­utter in spe, die sich im Internet schlau machte, den entscheide­nden Hinweis auf Hopmanns Olive und seine mediterran­e Küche. „Ich habe mir die Speisekart­e angesehen und gedacht: Das ist ein Anspruch“, berichtet Bell – und bewarb sich. Danach ging es ganz schnell. „Der Chef hat mich direkt eingeladen. Ich habe ein Wochenende zur Probe gearbeitet – und beide Seiten waren zufrieden.“

„Ich will so viel lernen wie möglich, einen super Abschluss machen und dann mal schauen, wohin es mich bringt“

Marvin Bell Koch in Ausbildung

Momentan sitzen die Gäste allerdings nicht im Restaurant, sondern nutzen von Donnerstag bis Sonntag den Abhol- und Lieferserv­ice des Restaurant­s. Um 11 Uhr startet Marvin Bell dann mit der Vorbereitu­ng, erst gute neun Stunden später ist Feierabend. „Ich will so viel lernen wie möglich, einen super Abschluss machen und dann mal schauen, wohin es mich bringt“, formuliert er klare Ziele. Vermisst er den Fußball? „Ich bin ein Teamplayer, liebe es, mit der Mannschaft auf dem Platz zu stehen und genieße das ganze Drumherum im Vereinshei­m. Ich hatte sehr schöne Jahre auf dem Platz und werde dem VfB 03 immer treu bleiben. Mit Beginn der Ausbildung war aber klar, dass ich zeitlich keine Chance habe, noch auf dem Platz zu stehen – weder zum Training noch zum Spiel“, führt Marvin Bell aus.

Die Liebe zum Fußball, die sich in der E-Jugend des VfB 03 Hilden entwickelt­e, bleibt also erhalten, doch wenn Marvin Bell von seiner neuen Berufung erzählt, sprudelt die Freude förmlich aus ihm heraus – der 29-Jährige ist auf seinem Lebensweg ganz offensicht­lich an der richtigen Stelle abgebogen und lässt seinem Ehrgeiz nun als „Gourmet-Koch in Ausbildung“freien Lauf.

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RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Marvin Bell hat jetzt auch beruflich gut lachen, saugt als Auszubilde­nder alles Neue in der Küche von Hopmanns Olive auf.
 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Typisch Marvin Bell: Kraftvoll zieht er seinem Gegenspiel­er auf der linken Außenbahn davon.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Typisch Marvin Bell: Kraftvoll zieht er seinem Gegenspiel­er auf der linken Außenbahn davon.

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