Freilaufende Hunde reißen Rehwild
Am Ratinger Weg hat sich ein Hund in ein Reh verbissen, es musste getötet werden – kein Einzelfall, wie der Jagdaufseher erklärt.
LUDENBERG Es war nur ein kurzer Moment, als die Frau einen ihrer beiden Hunde an einem Waldrand nahe des Wildparks am Ratinger Weg von der Leine ließ, ein schmaler Pfad lag vor ihr. Plötzlich erblickte der Hund ein Reh und war nicht mehr zu halten. Er hetzte das Tier, und als es an einem Zaun keinen Ausweg mehr gab, verbiss er sich in das Wild. „Ich war total geschockt und mit den Nerven fertig“, sagt die Hundebesitzerin, die anonym bleiben möchte. „Er hat so etwas noch nie gemacht“, schwört sie. Ihre Tiere seien alles andere als Kampfhunde, ein Mix, Labrador, Australian Shepherd, „aber offenbar hat jeder Hund einen Jagdtrieb, das habe ich unterschätzt“, gesteht sie ein.
Jedenfalls wurde, wie in solchen Fällen üblich, neben der Polizei auch der zuständige Jagdaufseher hinzu gerufen. Und die traurige Aufgabe von Heinz Bangert war es, das Tier von seinen Qualen zu erlösen. „Das Reh war zu allem Überfluss trächtig und hätte in wenigen Monaten ein Kitz geboren“, sagt Bangert. „Nur deswegen hat der Hund es wohl erwischt, normalerweise sind die Tiere sehr schnell.“
Der Vorfall sei alles andere als ein Einzelfall, bis zu fünf Mal im Jahr komme es in seinem Revier beiderseits der Bergischen Landstraße bis nach Mettmann vor, dass ein Wildtier auf diese Art zu Tode kommt, „Fasane oder Hasen gar nicht erst mitgerechnet“, sagt Bangert. Für ganz Düsseldorf schätzt der Jagdaufseher die Zahl auf 30 Fälle im Jahr. Durch Corona habe sich das Problem sogar noch verschärft, „denn die Menschen sind viel mehr draußen unterwegs“, so Bangert. Und immer mehr Düsseldorfer würden sich ja zudem einen Hund anschaffen, der dann auch nicht immer unbedingt gleich eine Hundeschule besuche. „Ich bin selbst Hundeführer und kenne genau die Probleme, die viele Besitzer mit ihren geliebten Vierbeinern haben“, sagt er. Dass auch verspielte Kuschelbären über einen Jagdtrieb verfügen würden, werde oft ausgeblendet. Dennoch mache er weder den Hunden noch ihren Besitzern einen Vorwurf, „auch die Dame in diesem Fall war wirklich nachhaltig geschockt über die Schnelligkeit, mit der sich solche Situationen ergeben können, sowie der Unmöglichkeit, in solchen Fällen auf die Hunde Einfluss zu nehmen“.
Dass gerade größere Hunde Auslauf benötigen und auch mal von der Leine wollen, weiß er aus eigener Erfahrung. Dass die in der Regel eher kleinen Hundeauslaufflächen
in der Stadt das nicht bieten können, ebenso. Daher plädiert Heinz Bangert dafür, beispielsweise in Waldnähe größere, eingezäunte Flächen für Hunde freizugeben. „Es gibt hier so viele Streuobst- oder auch Hochzeitswiesen von drei oder vier Hektar Größe, die sich dafür anbieten würden, und der Eigentümer ist dann meist auch die Stadt. Die könnte das also durchaus problemlos in die Wege leiten“, schlägt der Jagdaufseher vor.
In Grevenbroich scheint das Problem fast noch größer zu sein. Alleine im Gustorfer Bend wurden 2021 schon acht von Hunden gerissene Rehe entdeckt. Dort mutmaßen die zuständigen Jäger, dass auch viele Wildunfälle womöglich auf Hunde zurückzuführen seien, weil sie die Rehe zuvor auf die viel befahrene Kreisstraße gehetzt haben – drei Rehe wurden so zu Beginn des Jahres in einem Abstand von nur etwa 20 Metern überfahren.
In Naturschutzgebieten dürfen Hunde nicht von der Leine, in Landschaftsgebieten schon, so lange sich die Tiere nicht vom Weg entfernen. Das verstehen Hunde aber natürlich nicht. Die geschockte Dame vom Ratinger Weg wird ihre Hunde jedenfalls vorläufig nicht mehr frei laufen lassen. „Solche großzügigen Auslaufflächen wären schon eine gute Lösung“, sagt sie. „Wirklich schade, dass es so etwas bislang nicht gibt.“