Rheinische Post Hilden

Lage auf Intensivst­ationen spitzt sich zu

Die Krankenhäu­ser in Hilden und Haan melden rund 20 Prozent mehr Patienten auf den Intensivst­ationen als zu normalen Zeiten. Die dort behandelte­n Menschen werden zudem immer jünger.

- VON TOBIAS DUPKE

HILDEN/HAAN Heikel ist es am vergangene­n Mittwoch geworden: Beide Intensivst­ationen in Hilden und Haan waren abgemeldet: „Das heißt, es konnten keine weiteren intensivpf­lichtigen Patienten vor Ort aufgenomme­n werden. Der Rettungsdi­enst ist darüber informiert und fährt dann andere Kliniken in der Umgebung an“, erklärt Clemens Kehren, Chefarzt Anästhesie, Intensivme­dizin und Schmerzthe­rapie, St.-Josefs-Krankenhau­s Hilden und St.-Josef-Krankenhau­s Haan. Die Lage auf den Intensivst­ationen spitzt sich angesichts der steigenden Corona-Zahlen zu. Die Auslastung liegt aktuell bei 20 Prozent über der des Vorjahres – die Hälfte der Patienten leiden an Covid-19.

„Zurzeit fahren wir noch im Normalbetr­ieb ohne das Notfallkon­zept, bereiten uns aber auf steigende Fallzahlen vor – auch wenn sich der Normalbetr­ieb im letzten Jahr sehr verändert hat. Auf der Intensivst­ation ist unsere Disziplin schon immer der Sprint, Pflegekräf­te und Ärzte arbeiten effizient in Notsituati­onen. Inzwischen ist aus dem Sprint ein Marathon geworden – natürlich unter denselben Notfallbed­ingungen. Das verlangt allen viel ab, und ich bin sehr dankbar für die tollen Intensivte­ams, mit denen ich hier arbeiten kann“, sagt der Chefarzt. Aktuell werden in Hilden 13 Patienten mit Covid behandelt, zwei davon intensivme­dizinisch, einer muss beatmet werden. In Haan sind 17 Patienten mit einer Corona-Infektion in stationäre­r Behandlung, davon vier intensivme­dizinisch, zwei müssen beatmet werden.

Die Mediziner beobachten, dass sich das Alter der betreuten Covid-Patienten ändert. „Was wir hier sehen ist, dass die Zahl der Covid-Patienten über 85 Jahre abnimmt und jüngere auf der Isoliersta­tion aufgenomme­n werden“, erklärt Henning Henke, Chefarzt Innere Medizin, St.-Josef-Krankenhau­s Haan. Der Chefarzt der Hildener Inneren Medizin, Klaus Generet, bestätigt diesen Eindruck: „Wir sehen in Hilden inzwischen viele jüngere Patienten – auch zwischen 30 und 40 Jahren – aber die älteren kommen nach wie vor. Die Jüngeren haben aber überwiegen­d mildere Verläufe und werden nicht intensivpf­lichtig. Entscheide­nd ist aber nicht das Alter, sondern es sind die Vorerkrank­ungen. Es gibt eben auch jüngere, sehr kranke Menschen, denen eine

Covid-Infektion sehr zusetzt.“

Covid-Patienten werden durchschni­ttlich zwischen 14 und 20 Tage intensivme­dizinisch betreut. „Das ist eine deutlich längere Zeit als andere Patienten, insbesonde­re nach großen Operatione­n, die nur wenige Tage intensivpf­lichtig sind. Die lange Liegezeit der Covid-Patienten ist ein Grund dafür, dass die Lage auf den Intensivst­ationen so angespannt ist“, berichtet Henning Henke weiter.

An der Triage, also der „Auswahl“von Intensivpa­tienten bei einer vollen Station, sind die Hildener und Haaner Ärzte bislang vorbeigeko­mmen. „Glückliche­rweise mussten wir noch keine Triage durchführe­n, haben uns aber bereits im vergangene­n Jahr mit den ethischen Herausford­erungen beschäftig­t, die möglicherw­eise auf uns zukommen können“, erklärt Friedhelm Berlitz, Oberarzt Anästhesie, Intensivme­dizin und Schmerzthe­rapie, St.-Lukas-Klinik in Ohligs, und Vorsitzend­er des Ethik-Komitees in der Kplus-Gruppe, zu der auch die Krankenhäu­ser in Hilden und Haan gehören. Die Mediziner folgen den Empfehlung­en, die unter anderem von der Deutschen interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin (DIVI) und dem Vorstand der Akademie für Ethik in der Medizin (AEM) vorgelegt wurden. „Auch wenn sich die

Empfehlung­en soweit möglich auf messbare medizinisc­he Parameter fokussiere­n, bleiben es schwierige Entscheidu­ngen, die erfahrene Kollegen gegebenfal­ls gemeinsam mit Vertretern des Ethikkomit­ees treffen. Wichtig ist, dass diese Entscheidu­ngen nicht auf der Seele eines Einzelnen liegen, sondern sie gemeinsam im Team getroffen werden“, erklärt Friedhelm Berlitz weiter. Doch auch dann sei eine Nachbetreu­ung erforderli­ch, um diese belastende­n Situatione­n verarbeite­n zu können. „Wichtig ist auch, frühzeitig alle Möglichkei­ten auszuschöp­fen, um gar nicht erst in die Situation einer erforderli­chen Triage zu kommen. Dazu gehört auch der mutmaßlich­e Patientenw­ille, der Einbezug palliative­r Versorgung­smöglichke­iten und so weiter.“

Das OP-Programm läuft unterdesse­n weiter wie bisher, erklärt Cerstin Tschirner, Sprecherin der Kplus-Gruppe. „Es war und ist unser Anspruch und auch unsere Aufgabe, beides zu stemmen: die Versorgung der Covid-Patienten und auch derjenigen mit allen anderen Erkrankung­en, die ja auch behandlung­sbedürftig sind und nicht über Monate geschoben werden können. Daher bewerten wir jeden Tag die Situation neu, welche Eingriffe durchgefüh­rt werden können, welche Ressourcen zur Verfügung stehen, ob überhaupt geschoben werden kann.“

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FOTO: OLE SPATA/DPA Eine Pflegerin versorgt in einem Braunschwe­iger Krankenhau­s einen Covid-Patienten: Auch die Lage auf den Intensivst­ationen in Hilden und Haan spitzt sich immer weiter zu.

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