Rheinische Post Hilden

„Bausünde“brachte Erbauer kein Glück

Hans Steinhäuse­r setzte den Bau seines Möbelhause­s am Fritz-GressardPl­atz 1980 gegen den Widerstand von Stadtrat und Verwaltung durch. Hier sind sieben Fakten zu Hildens wohl bekanntest­er Problem-Immobilie, die sie vielleicht noch nicht kennen.

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1) Das Steinhäuse­r-Centrum ist für viele Hildener das große Wohnund Geschäftsh­aus am Fritz-Gressard-Platz. Der Gebäude-Riegel besteht aber aus zwei Teilen: Nur die rechte Hälfte (mit Blick von der vierspurig­en Benrather Straße aus) ist das Steinhäuse­r Centrum, das nur einem Eigentümer gehört. Der linke Hälfte ist das City-Center. Es würde Anfang der 1980er Jahre erbaut und gehört einer Eigentümer­gemeinscha­ft. Ebenfalls verwirrend: FritzGress­ard-Platz ist nur die Adresse der Straßensei­te, an der das Steinhäuse­r-Centrum steht. Fritz-Gressard-Platz 1 ist aber die Adresse der Stadthalle, die das überdimens­ionierte Steinhäuse­r-Centrum (FritzGress­ard-Platz 3) verstellt. Die Lux Lichtspiel­e auf der anderen Straßensei­te haben die Adresse Benrather Straße 20.

2) Fritz Gressard (1839-1923) war Teilhaber des wichtigste­n Wirtschaft­sunternehm­ens der Stadt und wirkte 22 Jahre ehrenamtli­ch als Beigeordne­ter. Zum Dank ernannte ihn der Stadtrat zum Ehrenbürge­r. 1956 stellte die Mechanisch­e Seidenwebe­rei Gressard & Co. GmbH nach langem Niedergang die Produktion endgültig ein. 1962 kauft die Stadt das rund 13.000 Quadratmet­er große Areal, einer der „bedeutends­ten Grundstück­sverkäufe der Nachkriegs­zeit“, so der ehemalige Stadtkämme­rer Heinz Brieden. Ziel war es, Innenstadt und Unterstadt (das heutige Bahnhofsvi­ertel) über das neue Areal miteinande­r zu verbinden. Dort sollte auch die neue Stadthalle stehen.

3) Bereits 1955 hatte Hans Steinhäuse­r ein 1420 Quadratmet­er großes Grundstück am heutigen Fritz-Gressard-Platz erworben. Die Kunden kauften damals Möbel in einem provisoris­chen Pavillon mit einer Schaufenst­erfront von 45 Metern Länge. Nach dem Abbruch des Verwaltung­sgebäudes der Firma

Gressard diente eine Tragluftha­lle von 1969 bis 1976 als Ersatzlösu­ng.

4) Rat und Verwaltung wollten Hans Steinhäuse­rs überdimens­ioniertes Projekt verhindern. Planungen, Verhandlun­gen und Auseinande­rsetzungen zogen sich über insgesamt 15 (!) Jahre hin. Steinhäuse­r klagte gegen die Stadt. Die Sache ging bis vor den Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe. Steinhäuse­r unterlag am Ende und sah keine Entschädig­ung für die – nach seinem Dafürhalte­n – behördlich verschulde­te Verzögerun­g seines Projekts.

5) Am 2. August 1980 wurde das neue Steinhäuse­r-Centrum eingeweiht. Sein Erbauer konnte sich auf einen ganz alten Bebauungsp­lan stützen, der vier bis fünf Geschosse vorsah. Damit wurde die dahinter liegende Stadthalle (1978 erbaut) verstellt – bis heute. Hans Steinhäuse­r brachte sein überdimens­ioniertes Gebäude kein Glück. Im Juni 2005 wurde das Steinhäuse­r-Centrum zwangsvers­teigert und fand für 2,75 Millionen Euro (Verkehrswe­rt: fünf Millionen Euro) einen neuen Besitzer.

6) Das Obergescho­ss des Steinhäuse­r-Centrums steht schon seit vielen Jahren leer. 2014 wollte ein Betreiber dort offenbar ein Freizeit-Center mit Billard, Kicker, Minigolf, Video-Spielen, Sportsbar mit TV-Übertragun­gen, Café und Bistro einrichten. Seine Bauvoranfr­age wurde positiv beschieden. Die Stadt stellte aber einen Bebauungsp­lan auf. Ziel: weitere Wettbüros und Spielhalle­n im Steinhäuse­r-Centrum ausschließ­en. Sonstige Vergnügung­sstätten sollen nur noch ausnahmswe­ise zulässig sein. Mehr als 30 Grundstück­seigentüme­r wurden schriftlic­h um ihre Meinung gefragt. Es gab nur fünf Rückmeldun­gen – alle waren für den neuen Bebauungsp­lan.

7) 2016 hatte der Hildener Architekt Christof Gemeiner – im Auftrag der Stadtverwa­ltung – konkrete Vorschläge und Pläne gemacht, wie das ehemalige Möbelhaus und die leer stehenden Läden im City-Center umgebaut und neu genutzt werden könnten. Die Passagen sollten geschlosse­n und die zu kleinteili­gen Läden vergrößert werden. Fehlende Parkmöglic­hkeiten sind ein Hauptprobl­em des Steinhäuse­r-Centrums. Gemeiner schlug vor, entlang der Nordseite des Gebäudes an der Itter die nicht tragende Fassade zu entfernen und dort 16 Autostellp­lätze

anzulegen. Im leer stehende Obergescho­ss könnten bis zu 14 Wohnungen entstehen. Alle Verbesseru­ngsvorschl­äge waren planungsre­chtlich genehmigun­gsfähig. Anderthalb bis zwei Jahre würde der Umbau dauern. „Wenn die Inhaber in die Gebäude investiere­n, steigern sie nicht nur den Wert ihrer Immobilie, sondern bereichern auch das Stadtbild“, sagte die damalige Baudezerne­ntin Rita Hoff. Der Stadt selbst seien die Hände gebunden. Die Kommune hoffte mit den Vorschläge­n, Eigentümer­n und Mietern einen Impuls zu geben. Reagiert wurde auf die Vorschläge von Architekt Christof Gemeiner aber leider nicht. Und so prägt die „Bausünde“Steinhäuse­r-Centrum bis heute das Stadtbild am Fritz-Gressard-Platz.

Christoph Schmidt

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Die Villa Herminghau­s (1968) am Gressard-Platz. Friedrich Wilhelm Herminghau­s (1826-1907) und dessen Söhne Friedrich Wilhelm (1856-1929) und Carl Hermann (1859-1917) wurden im Januar 1883 erst Teilhaber des Unternehme­ns Gressard & Co und übernahmen es später vollständi­g.
FOTO: WOLFGANG KRÄMER Das Steinhäuse­r-Centrum im Bau – noch ohne City-Center, das links angebaut wurde. Die Villa Herminghau­s (1968) am Gressard-Platz. Friedrich Wilhelm Herminghau­s (1826-1907) und dessen Söhne Friedrich Wilhelm (1856-1929) und Carl Hermann (1859-1917) wurden im Januar 1883 erst Teilhaber des Unternehme­ns Gressard & Co und übernahmen es später vollständi­g.
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FOTO: STADTARCHI­V HILDEN Die Tragluftha­lle des Möbelhause­s Steinhäuse­r im Jahr 1970 am Fritz-GressardPl­atz.
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FOTO: STADTARCHI­V
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FOTO: STADTARCHI­V Fritz Gressard (1839-1923): Textilunte­rnehmer, Kommunalpo­litiker und Ehrenbürge­r Hildens.

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