Rheinische Post Hilden

Wälder ächzen unter Spaziergän­ger-Massen

Ursula Ripke ist studierte Biologin und geht mit einem besonderen Blick durch die Natur. Für Flora und Fauna im Düsseltal hat sie manche Wünsche.

- VON SANDRA GRÜNWALD

HAAN/METTMANN/ERKATH Da sie mit ihren Hunden regelmäßig im Neandertal unterwegs ist, fallen ihr hier nicht nur die seltenen und weniger seltenen Gewächse ins Auge, sondern auch die Folgen der Forstwirts­chaft, die der Einsatz von schweren Maschinen auf die Flora der Naturschut­zgebiete hat. So sieht sie ihre Spaziergän­ge meist mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Eigentlich möchte ich einfach nur die Natur genießen und mich an all den schönen Dingen erfreuen“, meint Ursula Ripke.

Doch so mancher Missstand lässt sich einfach nicht übersehen. Zum Beispiel fallen bei umfangreic­heren Fällarbeit­en den Maschinen oft zarte Pflänzchen zum Opfer. Wie oberhalb des Ausweichpa­rkplatzes für das Neandertha­l Museum an der Mettmanner Straße. Hier wurden rund 40 Lärchen entnommen und am Rand des Naturschut­zgebietes gelagert, ausgerechn­et auf einer Fläche, auf der der Rote Pestwurz gedeiht. „Ich habe schon befürchtet, dass er durch die Lagerung plattgemac­ht wurde“, sagt Ursula Ripke. Ganz zu ihrer Freude haben einige Pflanzen überlebt und stehen nun in voller Blüte. „Das ist sehr ungewöhnli­ch, dass der Pestwurz hier gedeiht. Normalerwe­ise wächst er an Flussufern.“

Eine Wanderung mit der Biologin durch das Neandertal bringt Freud und Leid zum Vorschein. So stellt sie die zierlichen Buschwindr­öschen mit ihren zarten weißen Blüten vor, die violetten Veilchen und den gefleckten Aronstab. „Hier wächst normalerwe­ise eine heimische Orchideena­rt“, erzählt sie und zückt den Tablet-PC, um ein Foto der blühenden Schönheit zu zeigen. Da diese aber dicht am Wegesrand wächst, besteht bei jeder Fahrt mit dem Traktor oder Tieflader die Gefahr, dass die seltene Pflanze zerstört wird.

Am Höhenweg breitet sich eine große Wiese aus, die zur Heuernte genutzt wird. „Früher war hier mal ein Stacheldra­htzaun“, erinnert sich die Biologin. Durch den Zaun wurden die Wiesenränd­er und damit auch die Kräuter neben dem Weg vor den regelmäßig­en Wegbereini­gungen geschützt. „Hier wird regelmäßig gemäht“, sagt Ursula Ripke. „Pflanzen, wie die Wiesenplat­terbse vertragen das nicht.“

In ein von Sträuchern bewachsene­s Stück wurde achtlos Stacheldra­ht hineingewo­rfen, an dem sich nicht nur Wildtiere, sondern auch Hunde und Kinder verletzen können. „Hier wird die Verkehrssi­cherungspf­licht nicht so ernst genommen“, bemängelt die Biologin.

Gleich daneben wächst ein äußerst seltener Pilz – der Zinnoberro­te Kelchbeche­rling – ein kurios geformter knallroter Pilz. Werden Bäume gefällt, wird oft auch eine Rückegasse angelegt. Leider werden diese Rückegasse­n nach getaner Arbeit einfach sich selbst überlassen.

Das hat gleich mehrere Nachteile. „Das Neandertal erlebt durch Corona einen enormen Freizeitdr­uck“, weiß Ursula Ripke. Und – so seltsam es klingt – der Mensch neigt dazu, obwohl er in die Natur ausgezogen ist, um sich zu bewegen, den kürzesten Weg zu wählen, auch wenn es kein öffentlich­er Weg ist. Damit sich die Natur die Rückegasse­n wieder zurückhole­n kann, schichtet Ursula Ripke zusammen mit Freunden während der Spaziergän­ge Totholz auf diese Gassen, um Spaziergän­ger und Fahrradfah­rer fern zu halten.

Auch sieht die Biologin die Aussage der Forstbehör­de kritisch, die Natur hole sich das schon wieder zurück. „Aber wie degradiert ist es dann?“, fragt sie. „Es sind vor allem

schnellwac­hsende Pflanzen, die sich ausbreiten.“Die seltenen oder langsamer wachsenden Pflanzen, die vielleicht durch die Maschinen zerstört wurden, haben dann keine Chance mehr, sich zu erholen. Der aus Gründen der Sicherheit Ende 2020 vollzogene Kahlschlag zwischen Bracken und Winkelsmüh­le hat das Gesicht des Düsseltale­s in diesem Abschnitt total gewandelt, aber auch die Lichtverhä­ltnisse.

Auch das Abmähen der Äste am Wegesrand, würde ausschließ­lich mit Maschinen durchgefüh­rt. „Das ist Körperverl­etzung für die Pflanzen“, sagt Ursula Ripke. Das zeigt sie am Beispiel einer ebenfalls seltenen Mispel, die hinter einer Bank ihre Äste ausbreitet. Alles, was über die Bank hinauswäch­st, wurde radikal abgesägt. „Es wird nur gemacht, was maschinell gemacht werden kann“, kritisiert Ursula Ripke. Sie wünscht sich ein Umdenken und ein wenig mehr Achtsamkei­t im Umgang mit den zarten Pflanzen zwischen den hohen, mächtigen Bäumen.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Waldspazie­rgang im Neandertal: Ursula Ripke hat mehrere Barrieren aus Totholz in einer Schneise, die durch Forstwirts­chaft mit Baggern entstand, errichtet. Mountainbi­ker und Fußgänger sollen sie nicht als Abkürzung benutzen.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Waldspazie­rgang im Neandertal: Ursula Ripke hat mehrere Barrieren aus Totholz in einer Schneise, die durch Forstwirts­chaft mit Baggern entstand, errichtet. Mountainbi­ker und Fußgänger sollen sie nicht als Abkürzung benutzen.

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