Bezahl-Tests in NRW noch kein Thema
Bayern und Frankreich preschen vor: Um den Druck auf Impfmuffel zu erhöhen, sollen Corona-Tests kostenpflichtig werden. Landesgesundheitsminister Laumann hält davon derzeit nichts. Apotheker warnen vor „Bürokratisierung“.
DÜSSELDORF Die Impfkampagne kommt voran, doch das Ziel „Herdenimmunität“liegt in weiter Ferne. In Nordrhein-Westfalen sind 49 Prozent der Bürger mindestens einmal geimpft, knapp zwei Drittel davon vollständig. Zur Erreichung der Herdenimmunität ist aber eine Quote von 85 Prozent nötig. Um den Druck auf Impfmuffel zu erhöhen, wird nun diskutiert, Corona-Tests kostenpflichtig zu machen. In Frankreich müssen die Bürger die aufwendigen PCR-Tests selbst bezahlen. Bayern erwägt nun, die Schnelltests kostenpflichtig zu machen.
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hält derzeit davon nichts: „Ich finde, dass diese Diskussion zu einer Unzeit kommt. Richtig ist ja, was Minister Spahn sagt: Irgendwann kommt der Punkt, wo man darüber nachdenken kann. Dieser Punkt ist aber nicht erreicht“, sagte Laumann: „Im Gegenteil: Testen ist ein grundlegender Baustein unserer Anti-Corona-Strategie. Tests ermöglichen uns die Rückgabe von Freiheitsrechten. Durch Tests entdecken wir immer noch zahlreiche Infektionen, die sonst vielleicht unentdeckt bleiben würden.“Der Minister betonte: „Hierfür brauchen wir aber ein niedrigschwelliges Angebot – kostenlos und im ganzen Land gut erreichbar. Ich halte zum jetzigen Zeitpunkt jeden Schritt für falsch, der bei den Menschen Hürden aufbaut, sich testen zu lassen.“
Aktuell haben die Bürger Anspruch auf regelmäßige kostenlose Tests bei öffentlichen Teststellen, sogenannte Bürgertests. Wenn Arzt oder Gesundheitsamt dann einen aufwendigen PCR-Test veranlassen, werden auch diese Kosten übernommen. Wer aber etwa für den Urlaub einen PCR-Test braucht, muss diesen schon jetzt selbst zahlen.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein kann sich eine Mischung aus Druck und Angeboten vorstellen. „Mit Blick auf das aktuell wieder hochfahrende Kulturund Freizeitangebot und die parallel dazu zuletzt erheblich abnehmende Zahl an Teststellen im Land wird der Druck auf Ungeimpfte mittelfristig automatisch zunehmen“, sagte KV-Chef Frank Bergmann. „Je nach Infektionslage könnte dann zum
Herbst auch bei der Frage nach weitgehend nur noch eigenfinanzierten PCR-Testungen die individuelle Entscheidungsfreiheit gegen die Interessen des Gemeinwohls richtigerweise abgewogen werden.“Zugleich setzt Bergmann auf Überzeugungsarbeit: „Es wird auch in den kommenden Wochen wichtig sein, bislang noch Ungeimpften niedrigschwellige Impfangebote zu unterbreiten.“Das Online-Verzeichnis von Praxen, die auch fremde Patienten impfen, sei ein Baustein dazu.
Der Vorstand der KV Westfalen sieht beide Seiten: „Die Forderung, dass PCR-Tests für Impfverweigerer kostenpflichtig sein sollten, ist zwar nachvollziehbar. Es stellt sich jedoch auch die Frage, was man dadurch tatsächlich erreicht. Denn neben der gewünschten Konsequenz, dass sich mehr Menschen impfen lassen, ist es auch denkbar, dass man diese Personen noch mehr abschreckt.“Zudem müsse der PCRTest für Menschen kostenfrei bleiben, die sich noch nicht impfen lassen können, etwa Schwangere und Kinder. Man werde bei Impfangeboten weiter auf kreative Formate setzen: „Die Menschen müssen verstehen, dass jede Impfung zählt, dass sie nicht nur sich, sondern auch ihre Mitmenschen schützen.“
Thomas Preis, der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, weist auf die praktischen Probleme einer Kostenpflicht hin: „Es wird sehr schwierig sein, in den Teststellen zu entscheiden, wer anspruchsberechtigt ist und wer nicht. Die notwendige Dokumentation und Inkassotätigkeit wird zu einer weiteren Bürokratisierung führen.“Das könne zu einer fortschreitenden Ausdünnung der Teststellen führen. „Vor dem Hintergrund der nicht absehbaren
Entwicklung der Pandemie sollte man den Fortbestand des flächendeckenden Systems der Teststellen nicht ohne Not aufs Spiel setzen“, mahnte Preis und versprach: „Apotheken erhalten zum großen Teil ihr Angebot weiter aufrecht.“
Zugleich können sich Patienten künftig den Impfstoff aussuchen: Denn die Praxen müssen jetzt schon zwei Wochen im Voraus ihre Impfstoffe bestellen. „Die Ärzte könnten für die Woche ab dem 2. August den Impfstoff von Biontech, Astrazeneca und Johnson & Johnson bestellen. Aller Voraussicht können auch alle Bestellungen voll bedient werden. Auch wenn noch nicht offiziell bekannt gegeben, bedeutet das Wahlfreiheit für die Bürger bei den Impfstoffen in Absprache mit dem Arzt. Das wird der Impfkampagne weiteren Schub verleihen“, ist Thomas Preis überzeugt.