Rheinische Post Hilden

Richter: „Sie dürfen hier nicht den Sheriff spielen“

Ein 59-Jähriger aus Wittlaer hatte lärmende Jugendlich­e mit einer Waffe bedroht. Jetzt stand er vor Gericht.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

WITTLAER Wild-West-Methoden will die Justiz auch in Wittlaer gar nicht erst einreißen lassen. Das machte ein Amtsrichte­r am Montag einem 59-jährigen Anwohner deutlich: „Sie dürfen hier nicht den Sheriff spielen im Ort“, ermahnte der Richter den selbst ernannten Ordnungshü­ter. Der nämlich hatte nachts im August 2020 per Selbstjust­iz fünf lärmende Jugendlich­e mit einer Schrecksch­usspistole von einer Bushaltest­elle verjagt. Wegen Nötigung wurde er dafür zu 1200 Euro Strafe verurteilt, zahlbar in 25-Euro-Raten.

Kurz nach einer Geburtstag­sparty und angetrunke­n haben die Jugendlich­en damals angeblich den Schock ihres Lebens erlitten. Kurz vor zwei Uhr in der Nacht waren sie auf ein Wartehäusc­hen einer Bushaltest­elle geklettert und hatten dort lauthals palavert. Auf den Gedanken, dass Anwohner dadurch womöglich um ihren Schlaf gebracht wurden, kam das heitere Quintett erst, als plötzlich ein Mann in kurzen Hosen, mit freiem Oberkörper und barfuß erschien und mit einer Pistole vor ihnen herumfucht­elte: „Haut ab“, forderte er die Krawallmac­her auf und schoss hinter den flüchtende­n Jugendlich­en damals sogar einmal in die Luft.

„Wir sind dann noch viel schneller weggerannt“, so eine der After-Party-Teilnehmer­innen jetzt im Zeugenstan­d. Erkannt habe man den nächtliche­n Schützen allerdings an dessen auffällige­n Tattoos an Oberkörper und Beinen, zumal der 59-Jährige offenbar schon vorher oft und gerne mit freiem Oberkörper in Wittlaer und Kaiserswer­th anzutreffe­n war.

Bei einem solchen Auftritt entstand auch ein Foto des Angeklagte­n mit entblößter Brust in der Gerichtsak­te. Der Verteidige­r bestätigte, dass es sich bei dieser Aufnahme um den Angeklagte­n handelte. Aber zum Anklagevor­wurf der Nötigung wollte der 59-jährige Hilfskoch lieber nichts sagen. Nach den Schilderun­gen der Zeugen hatte die Staatsanwä­ltin aber keine Zweifel, dass der Angeklagte als der damalige Haltestell­en-Schreck identifizi­ert worden sei.

So entschied auch der Richter, brummte dem Angeklagte­n die geforderte­n 120 Tagessätze zu je zehn Euro als Strafe für diese Nötigung auf. Da der 59-jährige Hilfskoch coronabedi­ngt über lange Zeit keinerlei Einkommen hatte, darf er die Strafe jetzt sogar in Raten abstottern.

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