VW-Aktionäre scheitern vor dem BGH
Die Richter weisen Schadenersatzansprüche gegen Bosch im Dieselskandal zurück. Der Zulieferer sei nicht der Adressat.
KARLSRUHE (dpa/mah/rtr) Im Dieselskandal hat der Bundesgerichtshof (BGH) Schadenersatzklagen von VW-Aktionären gegen den Zulieferer Bosch am Dienstag endgültig abgewiesen. Die Aktionäre hatten Bosch vorgeworfen, das Unternehmen habe Beihilfe zur verspäteten Adhoc-Meldung des Automobilherstellers über die Manipulationen bei Dieselmotoren geleistet. Dadurch hätten die Aktionäre hohe Kursverluste erlitten, für die auch Bosch als Entwickler und Zulieferer der illegalen Abschaltvorrichtung haften müsse. Bosch hatte Volkswagen die Motorsteuerungssoftware geliefert, die bei der Manipulation der Abgaswerte zum Einsatz kam.
Wie zuvor bereits das Amtsgericht Ludwigsburg und das Landgericht Stuttgart wies auch der BGH den Beihilfevorwurf zurück. Der Vorsitzende Richter Ingo Drescher hatte schon im Vorfeld des Urteils durchblicken lassen, dass man sich sich fragen könne, warum hier nicht direkt VW in Anspruch genommen werde und die Kläger stattdessen den Umweg über den Lieferanten gewählt hätten. Bei seiner Sitzung entschied der BGH am Dienstag über insgesamt neun Aktionärsklagen (Az.: II ZR 152/20 u.a.).
Im verhandelten Musterfall ging es konkret um einen Aktionär, der im Dezember 2013 Vorzugsaktien der Volkswagen AG für gut 12.000 Euro erworben hatte. Spätestens seit 2011 sei dem Wolfsburger Hersteller die illegale Abschalteinrichtung bekannt gewesen, argumentierte der Kläger. Am 3. September 2015 räumte Volkswagen gegenüber US-Behörden ein, eine Abschalteinrichtung in seinen Dieselfahrzeugen eingebaut zu haben, mit der die Emissionswerte nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Im September 2015 veräußerte der Kläger daraufhin die in seinem Besitz befindlichen Aktien für rund 8500 Euro.
Wenige Tage später informierte die Volkswagen AG durch Ad-hoc-Mitteilungen den Kapitalmarkt erstmals über die Verwendung der Software. Diese war für die Abschalteinrichtung
von dem Stuttgarter Zulieferer selbst entwickelt worden. Deshalb bezichtigte der Kläger Bosch der Beihilfe zur verspäteten Ad-hoc-Mitteilung. Denn Bosch habe denselben Kenntnisstand gehabt wie Volkswagen selbst. Der Zulieferer habe auch gewusst, dass sich die Manipulation nicht nur auf den Absatz der Fahrzeuge, sondern ebenso auf den Kapitalmarkt auswirken würde. Deshalb habe Bosch die Aktionäre mittelbar geschädigt und müsse seinen Kursverlust von rund 3500 Euro zahlen.
Der Bundesgerichtshof verneinte jedoch endgültig eine Beihilfe zur unterlassenen oder verspäteten Ad-hoc-Meldung. Bosch habe keine Beihilfe zu einer unterbliebenen oder unrichtigen Information des Kapitalmarkts geleistet. Zwar gebe es nach Ansicht des Gerichts durchaus Indizien, dass der schwäbische Technologiekonzern nicht arglos war, als er die Software an VW lieferte, mithilfe derer die Dieselmotoren des Konzerns die Abgaswerte nur auf dem Prüfstand einhielten. Aber selbst dann gebe es keinen sachlichen Zusammenhang, dass Bosch eine verspätete Ad-hoc-Meldung an die Aktionäre gefördert habe. Neben der Musterklage wurden alle weiteren acht Klagen von Aktionären abgewiesen.
Der II. Zivilsenat des BGH wies am Dienstag ausdrücklich darauf hin, dass mit seinem Urteil keine Stellungnahme verbunden sei, ob VW kapitalmarktrechtliche Vorwürfe zu machen sei. Volkswagen sieht sich mit Aktionärsklagen im Gesamtvolumen von rund neun Milliarden Euro wegen erlittener Kursverluste konfrontiert.
Nach Tausenden Einzelklagen von Aktionären gegen VW läuft seit fast drei Jahren am Oberlandesgericht Braunschweig ein milliardenschweres Musterverfahren der Fondsgesellschaft Deka Investment der Sparkassen. Der Vorsitzende Richter Drescher betonte, dass der BGH dem keinesfalls vorgreifen wolle. So seien die am Dienstag in Karlsruhe verhandelten Klagen gegen Bosch nur als ein Ausschnitt zu sehen.