Rheinische Post Hilden

Wo das Alt zu Hause ist

Düsseldorf blickt auf mehr als 150 Jahre Bierkultur zurück und ist stolz auf seine Hausbrauer­eien. Der Besuch jeder einzelnen lohnt sich, denn Alt ist nicht gleich Alt.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D

Der Kölner schwört auf sein Kölsch und der Düsseldorf­er auf sein Alt. In den zwei größten Städten Nordrhein-Westfalens sind die Menschen stolz auf die Biere ihrer heimischen Braumeiste­r. In Düsseldorf sind es die fünf Hausbrauer­eien Füchschen, Kürzer, Schlüssel, Schumacher und Uerige, die über die Stadtgrenz­en hinaus bekannt sind. Allerdings weiß nicht jeder, dass Kölsch und Alt viel gemein haben. Wenn

Ebo Fischer über die Beziehung der beiden spricht, sagt er sogar einen Satz, der jedem Kölner Bierfreund wegen der rheinische­n Dauerrival­ität wehtun dürfte: „Ein

Kölsch ist eigentlich ein

Alt – nur ein helles.“

Fischer ist Bierexpert­e, kennt sich mit beiden Sorten aus. Er arbeitete früher für die Brauerei Sünner, die seit 1906 Kölsch braut. Heute organisier­t er mit der Altbier-Safari täglich Entdeckung­sreisen durch die Düsseldorf­er Bierkultur. Er erklärt, in welch enger Verbindung Kölsch und Alt stehen: „Beides sind obergärige Biere. Das Alt heißt Alt, weil es nach alter Brauart hergestell­t wird, aber früher hieß es noch Düsselbier. Das kam aber in Köln nicht so gut an, sodass man dort die teuren Röstmalze wegließ, weniger Hopfen nahm und so ein helles, eigenes Bier mit einem weniger bitteren Charakter als das Alt braute, das man dann Kölsch nannte. Sünner war damals die erste Brauerei.“

Düsseldorf kann inzwischen auf mehr als 150 Jahre Bierkultur zurückblic­ken, 1896 gab es mehr als 100 Brauereien in der Altstadt. Mit dem Füchschen, Kürzer, Schlüssel, Schumacher und dem Uerige sind fünf Hausbrauer­eien geblieben, die jeden Tag sowohl Einheimisc­he als auch Touristen in die Stadt locken. Der Besuch jedes einzelnen Brauhauses lohnt sich, sei es auf eigene Faust oder mit der geführten Altbier-Safari,

denn Alt ist nicht gleich Alt. Auch der Laie schmeckt Unterschie­de, denn die Biere haben verschiede­ne Bitterwert­e.

Das Schlüssel Alt, das im Juni den Meininger’s Craft Beer Award gewann, ist mit 28 Bittereinh­eiten das mildeste. Es folgen laut Ebo Fischer das Kürzer (30), Füchschen (32) und das Schumacher (38). „Mit bis zu 50 Bittereinh­eiten ist das Uerige das bitterste Bier in Düsseldorf“, sagt der Kenner, der Altstadtbe­suchern nur empfehlen kann, in den Brauhäuser­n nicht nur in Maßen zu trinken, sondern auch zu essen. Die Traditions­häuser Füchschen, Schlüssel, Schumacher und Uerige bieten eine deftige Küche, das Kürzer spricht dagegen eher ein jüngeres Publikum an, das oft bis spät nachts zusammenko­mmt und auch einen Chicken-Wrap mit Honig-Senf-Soße auf der Speisekart­e findet.

Dass Düsseldorf die längste Theke der Welt hat, ist hinlänglic­h bekannt. Aber welche Rolle spielen dabei die Brauhäuser? Das erklärt Oberbürger­meister Stephan Keller: „Die Brauhäuser sind nicht nur ein Ort, wo man die lokale Bierkultur erleben, sondern auch rheinische­s Essen und die besondere, rheinisch-globale Lebensart genießen kann. Wenn jemand die typische Düsseldorf­er Willkommen­skultur verstehen will, braucht er sich einfach nur draußen an die Stehtische der Brauhäuser zu begeben. Das macht eigentlich die längste Theke der Welt aus – und das müssen wir uns bewahren.“

Die Brauhäuser sind also ein Ort, an dem Jung auf Alt trifft und jede Gesellscha­ftsschicht zusammenko­mmt. Auch für Ebo Fischer gibt es keinen offeneren Ort als ein Brauhaus, an den Stehtische­n ist das Dazustelle­n für jedermann erlaubt. Der Gast muss sich aber im Klaren sein, dass er in der Hierarchie des Hauses an letzter Stelle steht. An erster steht der Baas, der Chef, dann der Bierzapfer, genannt Zappes, der Köbes als Kellner und zu guter Letzt der Gast, der nicht bestellt, sondern dem immer wieder ein neues Alt vorgesetzt wird – bis er einen Bierdeckel auf sein Glas legt oder signalisie­rt, zahlen zu wollen.

Früher trat ein Köbes oft sehr ruppig auf, war bei der Bedienung fast schon frech und drückte den Gästen auch einmal einen Spruch rein. „Stück Seife dazu?“, war etwa die Frage, wenn jemand statt eines Bieres ein Wasser bestellte. „Geduzt wird immer noch, und es werden auch noch Späße gemacht, aber wir sind nicht mehr so rau wie früher. Die Gäste waren manchmal beleidigt, die ruppige Art kam auch wegen des internatio­nalen Tourismus nicht mehr überall gut an und war nicht mehr gewünscht“, berichtet Schlüssel-Köbes Matthias Schramm von heute anderen Zeiten.

Der freundlich­ere Umgang ist aber nicht der einzige neue Trend: Die Hausbrauer­eien werden auch

erfinderis­ch. Im Füchschen gibt es etwa ein eigenes Pils, das Schumacher hat mit dem Ungerweibc­hen eine Mischung aus Sekt, Zitronenli­monade und Bier auf der Karte, es gibt die Schlüssel-Altbierbow­le, und das Uerige arbeitet seit Jahren mit den Toten Hosen zusammen, mit denen das Hosen Hell kreiert wurde. Warum sie als Düsseldorf­er Band ausgerechn­et ein Helles herausgebr­acht hätten, wurde Sänger Campino einmal gefragt. Seine Antwort: „Es gibt in Düsseldorf schon so viele gute Altbiere.“

Ein typischer Altstadtab­end verläuft für viele so, dass sie von einer Kneipe in die nächste ziehen, zwischendu­rch etwas essen und mit vielen Menschen ins Gespräch kommen. Oberbürger­meister Keller bezeichnet Düsseldorf als eine Bierstadt. Dass es noch so viele Hausbrauer­eien auf wenigen Quadratmet­ern gibt wie in der Altstadt, sei deutschlan­dweit eine Besonderhe­it. Und warum ein Alt dann doch auch besser als ein Kölsch schmeckt, kann er auch erklären: „Weil es in der schönsten Stadt am Rhein getrunken wird.“

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FOTOS: ANNE ORTHEN (2), ANDREAS BRETZ Das Kürzer an der Kurze Straße ist die jüngste Hausbrauer­ei.
 ??  ?? Eberhard „Ebo“Fischer ist der Erfinder der Altbier-Safari, die durch die Hausbrauer­eien in der Altstadt führt.
Eberhard „Ebo“Fischer ist der Erfinder der Altbier-Safari, die durch die Hausbrauer­eien in der Altstadt führt.
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Thea Ungermann leitet die Schumacher-Brauerei.

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