Rheinische Post Hilden

Die Blutkonser­ven werden knapp

Das Deutsche Rote Kreuz und die Kliniken warnen vor einer dramatisch­en Lage. Im Ernstfall könnten Operatione­n verschoben werden.

- VON MARLEN KESS

DÜSSELDORF In Düsseldorf wird zu wenig Blut gespendet. Die Konserven werden knapp, und die Blutbanken schlagen Alarm. „Die Lage ist dramatisch, wenn es so weiter geht, sind die Ressourcen irgendwann erschöpft“, sagt Stephan Küpper vom Blutspende­dienst West des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der Kliniken in ganz Nordrhein-Westfalen mit Blut- und Plasmapräp­araten versorgt. Pro Tag benötigt das DRK dafür rund 2000 bis 2500 Spenden. „Momentan kommen wir da aber nicht heran, seit Wochen nicht“, sagt Küpper.

In Düsseldorf werden unter anderem die Sana-Kliniken, das Evangelisc­he Krankenhau­s und die Häuser des Verbunds Katholisch­er Kliniken ( VKKD) hauptsächl­ich über das DRK versorgt. Die Uniklinik hat eine eigene Spendeeinr­ichtung, über die die Patienten versorgt werden, kann aber wenn nötig auch vom DRK oder anderen Diensten zukaufen. 60.000 Präparate werden Sprecherin Susanne Blödgen zufolge pro Jahr benötigt – und auch an der Uniklinik werden die Reserven knapp.

Mindestens einmal im Leben – so hat es das DRK errechnet – ist beinahe jeder Bürger auf das Blut anderer angewiesen. Blutkonser­ven werden zum Beispiel für die Behandlung von Krebs-Patienten benötigt, aber auch für aufwendige Operatione­n und Transfusio­nen nach schweren Unfällen. „Viele Operatione­n und Therapien könnten nicht durchgefüh­rt werden, wenn zu wenige Blutkonser­ven verfügbar sind“, sagt Blödgen.

Da immer Präparate für Notfälle bereitgeha­lten werden müssen, könne es sein, dass schon bald geplante Operatione­n verschoben werden müssen, sagt Stephan Küpper. Schon jetzt könne das DRK bei

Weitem nicht alle Anfragen aus den Kliniken erfüllen, die Kürzungsqu­oten lägen zwischen zehn und 50 Prozent. Beim DRK werden alle Anfragen und die verfügbare­n Präparate in Excel-Listen notiert, „und derzeit sehe ich überall nur rote Zahlen“, sagt Küpper, „auch bei einer Blutgruppe wie AB positiv, die sonst nie von Kürzungen betroffen ist.“

Die Situation wirkt sich auch in den Düsseldorf­er Kliniken aus. Bislang hätten zwar keine geplanten Operatione­n verschoben werden müssen, heißt es zum Beispiel aus dem Evangelisc­hen Krankenhau­s – wohl aber müssten diese mit zusätzlich­em logistisch­en Aufwand geplant werden. Denn für Notfälle müssten stets ausreichen­d Blutkonser­ven vorrätig sein. „In unserer täglichen Arbeit ist ein drohender Mangel spürbar“, sagt der Transfusio­nsbeauftra­gte Karl-Heinz Magofsky. Auch in den Kliniken des VKKD, zu dem etwa das Marienhosp­ital gehört, ist der Mangel an Blutkonser­ven seit Längerem bekannt, wie Sprecher Heiko Schmitz sagt. Man gehe deshalb „grundsätzl­ich sehr zurückhalt­end“mit den Blutproduk­ten um. Zudem sei die Versorgung so angepasst worden, dass keine Konserven verfallen – „was in Zeiten des Mangels ebenso wichtig ist wie der geringere Verbrauch.“

Insbesonde­re bei sehr seltenen Blutgruppe­n gebe es vereinzelt­e Engpässe, sagt auch Manuel Wenk, Chefarzt der Klinik für Anästhesio­logie des Florence-Nightingal­e-Krankenhau­ses. Um zu jeder Zeit genügend Konserven vorhalten zu können, beziehe die Klinik die Präparate über verschiede­ne Dienstleis­ter in der Region. „Wir beobachten leider seit einigen Jahren, dass die Bereitscha­ft zur Blutspende sinkt“, sagt Wenk. Besonders in den Sommerferi­en sei die Spendebere­itschaft niedrig, dazu komme in diesem Jahr die Corona-Pandemie. „Durch Corona sind deutlich weniger Spenden erfolgt“, bestätigt Barbara Skondras, Sprecherin der Sana-Kliniken in Gerresheim und Benrath, die von einer „akuten Verknappun­g“spricht, aber auch von einem grundsätzl­ichen Rückgang an Spenden und potentiell­en Spendern.

Skondras führt das auch auf die demografis­che Entwicklun­g zurück. Susanne Blödgen vom UKD verweist mit Blick auf die sinkende Bereitscha­ft im Sommer unter anderem auf die Heuschnupf­en-Saison und die Urlaubszei­t. Zudem spielten sicherlich auch Corona und die damit einhergehe­nden Unsicherhe­iten, etwa die Lockdown-Situation betreffend, eine Rolle. Laut DRK-Sprecher

Stephan Küpper trägt zur angespannt­en Situation auch bei, dass man coronabedi­ngt in diesem Jahr schon deutlich früher Probleme bekäme als sonst in den Sommermona­ten üblich. „Die Restriktio­nen fallen weg, viele Menschen sind unterwegs und denken durchaus nachvollzi­ehbarerwei­se an anderes als ans Blutspende­n“, sagt Küpper. Zudem habe in der Pandemie möglicherw­eise die Angst vor Krankenhäu­sern und damit auch vor dem Blutspende­n zugenommen.

Dazu kommt: Blutkonser­ven sind nicht lange haltbar, auf Vorrat können die Blutbanken also nicht arbeiten. Die klassische Blutkonser­ve ist Küpper zufolge gekühlt 42 Tage haltbar, ein Thrombozyt­enpräparat, wie es beispielsw­eise in der Krebsthera­pie eingesetzt wird, gerade einmal vier Tage. Das DRK und die Kliniken rufen deshalb verstärkt zur Spende auf, die Sana-Kliniken etwa planen im September einen Aktionstag. Die UKD-Blutspende­zentrale versucht, zusätzlich­e Anreize für Neuspender zu schaffen, zum Beispiel mit einem Kinogutsch­ein, sagt Susanne Blödgen. „Blutspende­n ist der einfachste Weg, Leben zu retten.“

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FOTO: ANNE ORTHEN Werner Butkus vom DRK betreut eine Spenderin bei der mobilen Blutspende in Kaiserswer­th.

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