70 Apotheken teilweise oder ganz zu
Nach der Flut ist die Versorgung mit Arzneimitteln an einigen Orten erschwert.
KALL Wie schlimm es seine Apotheke getroffen hat, erfährt Jürgen Lutsch erst am zweiten Tag der Flut. Am vergangenen Donnerstag schafft er es endlich, durch das Wasser zu der Linda-Apotheke in Kall. Er macht Bilder durchs Fenster: Arzneimittelverpackungen, Kartons und Schlamm bilden einen Teppich auf dem Boden. „Das ist ein absoluter Totalschaden“, schreibt Lutsch auf Facebook. Wann er die Apotheke wieder aufmacht, kann er bis nicht sagen. Eine andere gibt es in Kall nicht.
In vielen Orten ist nach dem Hochwasser die Versorgung mit Arzneimitteln schwierig. 50 Apotheken allein im Gebiet der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) seien zerstört oder so weit beeinträchtigt, dass sie tage- oder gar wochenlang nicht öffnen können, sagt ein Sprecher der Kammer. Dazu kommen 20 Apotheken aus Rheinland-Pfalz, die nach Angaben der dortigen Kammer nicht durchgängig geöffnet sind. „Das geht vom Totalschaden bis zum Stromausfall“, sagt Geschäftsführer Tilman Scheinert.
Trotz der Schwierigkeiten sei die Versorgung aktuell jedoch gesichert, heißt es übereinstimmend aus den Apothekerkammern. Viele der betroffenen Betriebe werden jedoch Wochen brauchen, bis sie wieder öffnen. „Aus den 50 Apotheken in unserem Gebiet werden es die allermeisten in den kommenden zwei Wochen schaffen“, sagt ein Sprecher der AKNR. Für einige werde es aber länger dauern. Die Kammer appelliert deswegen an die Politik für Unterstützung für das Gesundheitswesen. „Gerade in ländlichen Gebieten ist es dramatisch, wenn eine Apotheke nicht öffnet“, sagt der AKNR-Sprecher: „Es darf keiner zurückbleiben.“
Die Ausfälle wirken sich derzeit auf die Notdienste der Apotheken aus. „Die 50 Apotheken in unserem Gebiet haben jeden Tag einen Notdienst. Bei sieben Tagen pro Woche geht es um 350 Dienste, die wir jetzt neu verteilen müssen“, sagt der Sprecher. In Rheinland-Pfalz sei eine ganze Abteilung der dortigen Kammer seit der Flut rund um die Uhr mit dieser Aufgabe beschäftigt, sagt Geschäftsführer Tilmann Scheinert.
Wer eine Notdienst-Apotheke in der Nähe sucht, findet sie für Nordrhein-Westfalen im Internet unter www.ak.nrw/nd, für Rheinland-Pfalz unter www.lak-rlp.de. Die Adressen werden fortlaufend aktualisiert. In einigen Fällen müssen Patienten weitere Wege auf sich nehmen. Menschen aus Kall müssen aktuell nach Mechernich oder Nettersheim fahren, beides jeweils rund zehn Kilometer entfernt.
Am Mittwoch, sieben Tage nach der Katastrophe, fängt Lutsch mit dem Aufräumen in der Linda-Apotheke auf. Viele helfen ihm dabei: die Angestellten einer Möbelfirma, die Mitarbeiterinnen der Apotheke mit ihren Ehemännern, der Bauhof Kall hat sogar einen Lastkraftwagen beigesteuert. Trotz der zahlreichen Helfer wird es lange dauern, bis aus dem zerstörten Gebäude wieder eine Apotheke wird.