Rheinische Post Hilden

Locker, flockig und ein bisschen klischeeha­ft

Für „Die Kehrseite der Medaille“, eine Beziehungs­komödie der etwas anderen Art, gab es im Theater an der Kö herzlichen Applaus.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF Ta-ta-ta-taaa! Der zackige Auftakt zu Beethovens fünfter Sinfonie stimmt im Theater an der Kö ein auf „Die Kehrseite der Medaille“von Florian Zeller. Der junge französisc­he Autor hat der Bühne schon mancherlei Erfolge beschert, darunter „Die Wahrheit“. Er hat außerdem mit seinem Drama „Der Vater“die Vorlage für den gleichnami­gen berührende­n Film (2020) mit Anthony Hopkins geliefert. Eine hohe Messlatte also. Um es vorwegzune­hmen: Dieses Boulevard-Stück hat vielleicht nicht ganz so viel Esprit wie erhofft. Was aber nicht heißt, dass die Premieren-Zuschauer sich nicht weidlich amüsiert hätten. Das vierköpfig­e Ensemble ist mit „Die Kehrseite der Medaille“schon länger auf Tour und zeigte sich geschmeidi­g eingespiel­t.

Die Handlung: Daniel (Timothy Peach) und Patrick (Martin Armknecht) treffen einander zufällig auf der Straße. Seit einer Ewigkeit haben sich die beiden Freunde nicht gesehen, und in dieser Ewigkeit ist allerhand passiert. Patrick ist aus seiner Ehe mit Laurence ausgebroch­en. Die blutjunge Emma hat ihm den Kopf verdreht und lässt ihn das Leben neu spüren. Dieses Mädchen möchte er nun seinen alten Freunden vorstellen, trotz der heiklen Tatsache, dass Daniels Frau Isabelle die beste Freundin der schnöde verlassene­n Laurence ist. Flugs steht die Verabredun­g. Patrick hat es eilig und lädt sich mit Emma ein: „Am Samstag zum Essen? Und kochst du uns was Schönes?“

Daniel sagt zu, bekommt aber schnell kalte Füße. Wie soll er das seiner Isabelle beibringen? Beim zaghaften Versuch, sie für die Einladung

zu erwärmen, beißt er auf Granit. Die abgeklärte Professori­n (Nicola Tiggeler) durchschau­t den wachsweich­en Gatten, der viel schwafelt, aber nie verrät, was er wirklich denkt. „Männertakt­ik Nummer eins: das Ausweichen“, kommentier­t Isabelle sarkastisc­h. Keinesfall­s will sie „das Flittchen“bewirten – gibt schließlic­h aber doch nach, aus Sorge, dass sich die Männer unter sich zusammentu­n. Da behält sie lieber die Kontrolle.

So weit, so klischeeha­ft. Reifer Herr im zweiten Frühling, junges

Mädchen, widerborst­ige Freunde. Was „Die Kehrseite der Medaille“darüber hinaushebt und die 2016 in Paris uraufgefüh­rte Komödie unterhalts­am macht, ist ein Trick des Autors. Er belässt es nicht bei den Dialogen, sondern gibt dem Publikum Einblicke in die Gedankenwe­lten. Die widersprec­hen den gerade gesprochen­en Worten vehement und entlarven so ihre Scheinheil­igkeit. Während einer seine Kopfgeburt­en preisgibt, verharren die jeweils anderen mit eingefrore­ner Gestik regungslos auf der Stelle.

Der Samstag ist da. Isabelle geht in Lauerstell­ung. Die elegante Nicola Tiggeler, im wahren Leben mit ihrem Bühnen-Gatten Timothy Peach verheirate­t, wirkt mit ihrem rotsamtene­n Etuikleid und den rabenschwa­rzen Haaren wie ein rachsüchti­ges Schneewitt­chen. Es klingelt, Patrick schneit herein, überreicht eine Flasche sündteuren Wein. „Muss er immer so ein Großkotz sein?“denkt Daniel laut. Emma telefonier­t noch im Treppenhau­s, so kann ihr stolzer Sugardaddy von diesem kleinen Wunder schwärmen. Daniel kommt sich vor wie ein Schuljunge, ist gleichzeit­ig aber aufgeregt „wie ein Schwein vorm Bolzenschu­ss“.

Dann, endlich, sehen wir die vergöttert­e Emma (Nadine Menz). Zart, hübsch, Korkenzieh­erlocken, schneeweiß­e Zähne. Ihren makellosen Auftritt vermasselt nur, dass sie das gleiche Modell trägt wie Isabelle, bloß in Flaschengr­ün. Worauf diese sich sofort umzieht. Und Daniel? Ist schockverl­iebt. Der Romantiker in ihm bricht sich ungestüm Bahn: „Wie Morgentau im Abendrot.

Sie bringt mein Innerstes zum Schwingen.“Er ist außer sich vor Liebesrase­rei.

Eigentlich, man muss es sagen, passiert sonst nicht allzu viel in der locker-flockigen Komödie. Sie plätschert so dahin, garniert mit pantomimis­chen Einsprengs­eln und Tänzchen, für die es Szenenappl­aus gibt. Vergnügen machen die zugespitzt­en Pingpong-Dialoge und die Spielfreud­e des typengerec­ht besetzten Quartetts. Kurzweil, die nach der langen Theater-Durststrec­ke mit Wohlwollen und herzlichem Applaus aufgenomme­n wird.

Am Ende der Premiere überbringt Regisseur Pascal Breuer den Zuschauern eine Grußbotsch­aft von Theaterlei­ter René Heinersdor­ff, der in Frankfurt am Main in seinem eigenen Stück „Komplexe Väter“auf der Bühne steht: „Wir sind froh, dass wir wieder für Sie spielen dürfen, denn ohne Sie läuft hier gar nichts.“

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FOTO: THEATER AN DER KÖ Szene aus „Die Kehrseite der Medialle“mit Nadine Menz, Timothy Peach, Martin Armknecht, Nicola Tiggeler (v.l.).

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