Es braucht einen echten Ost-West-Dialog
Im Theater gibt es das Stilmittel des Beiseitesprechens. Eine Figur steht einer anderen gegenüber, wendet sich mit ihrer Botschaft aber ans Publikum. Ein ähnliches Verfahren wählte Polens Premier Mateusz Morawiecki am Dienstag im EU-Parlament. Vor ihm saßen Abgeordnete aus 27 Mitgliedsstaaten. Große Teile seiner Rede jedoch richteten sich an das Publikum in der Heimat.
Vor allem galt das für die Beschimpfungen der EUInstitutionen. Von Erpressung sprach Morawiecki und von Attacken auf die nationale Souveränität. All das griffen die regierungstreuen staatlichen Medien in Polen nur allzu gern auf. Wenig war da zu hören von den empörten Reaktionen vieler Parlamentarier. Sie werfen der rechtsnationalen Pis-Regierung in Warschau Frontalangriffe auf die Rechtsstaatlichkeit und damit auf die Fundamente der EU vor.
Ein echter Dialog kann so nicht funktionieren. Das wissen auch alle Beteiligten, die sich längst in die Schützengräben ihrer Überzeugungen zurückgezogen haben. Es spricht deshalb viel dafür, dass sich der Streit bestenfalls mit Formelkompromissen beilegen lässt. Vorläufig. Schlimmstenfalls eskaliert der Konflikt zum Machtkampf, an dessen Ende ein Polexit stehen könnte. Selbst wenn ein EU-Austritt Polens derzeit niemand will, auch die Pis nicht. Denn ohne Geld aus Brüssel, ohne Binnenmarkt und die Solidarität im Ringen mit Russland wäre Polen womöglich verloren. Die EUKommission sitzt am längeren Hebel. Es möge sich aber niemand täuschen. Langfristig hilft es nicht, wenn Mitgliedsländer nur wegen der ökonomischen Vorteile in der EU bleiben. Es ist höchste Zeit für einen echten OstWest-Dialog. Denn mit einem Vorwurf haben Morawiecki und die Pis recht: Im Westen des Kontinents dominiert bis heute eine schwer erträgliche Mischung aus Arroganz und Ignoranz gegenüber dem Osten.
BERICHT POLEN WIRFT EU-KOMMISSION ERPRESSUNG . . ., POLITIK