Ringen um die Auslegung der Schuldenbremse
BERLIN Christian Lindner will es werden, Robert Habeck aber auch. Der FDP-Vorsitzende und der Grünen-Chef liefern sich einen Wettlauf um das Amt des Bundesfinanzministers in einer möglichen Ampelkoalition. Dabei wird der Job des Finanzministers alles andere als ein einfacher sein: SPD, Grüne und FDP haben ambitionierte Ziele beim Klimaschutz, Digitalisierung, Modernisierung der Infrastruktur, Bildung und zum Ausbau der sozialen Sicherung formuliert, die sie alle auf einmal finanzieren wollen – bei Einhaltung der Schuldenbremse und ohne Steuererhöhungen. Wie das funktionieren soll, darüber haben die drei Parteien im Moment noch völlig unterschiedliche Ansichten. Am Donnerstagnachmittag sollen die Koalitionsverhandlungen beginnen.
SPD und Grüne sind der Meinung, sie könnten öffentliche Unternehmen wie die Bahn oder die Förderbank KfW anstelle des Bundes aktiv werden lassen. Die Unternehmen sollen sich am Kapitalmarkt verschulden, um das Geld dann entweder selbst in neue Schienenwege oder in Schulen zu investieren oder um es an Dritte weiterzugeben, die die Investitionen übernehmen. „Bei der Schuldenbremse werden wir selbstverständlich die vom Gesetzgeber beschlossenen Verschuldungsgrenzen einhalten“, sagte der Grünen-Politiker Sven Giegold: „Der Gesetzgeber unterscheidet aber zwischen dem Staat und öffentlichen Unternehmen. So hat etwa die Bahn hohe Schulden oder die KfW begibt Anleihen. Daher gibt es hier einen Raum für zusätzliche kreditfinanzierte Investitionen durch diese oder andere öffentliche Unternehmen“, sagte Giegold.
Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte durchblicken lassen, dass für ihn die Kreditfinanzierung von Investitionen über öffentliche Unternehmen eine Option ist. Ob die FDP den Weg mitgehen würde, ist allerdings fraglich. „Es wird keine Umgehung der Schuldenbremse geben, in welcher Form auch immer. So ist es im Sondierungspapier festgehalten“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki unserer Redaktion. „Ich finde, dass wir den Ton der Sondierungen beibehalten und eventuelle programmatische Diskussionen intern besprechen sollten“, erklärte das Mitglied der FDP-Sondierungsgruppe. „Seien Sie versichert, dass es am Ende ausreichend Finanzierungsvorschläge für unsere Vorhaben geben wird. Wir brauchen eine solide Haushaltspolitik und mehr Kreativität in der Diskussion, die wir dann intern führen. Außerdem sind 90 Prozent aller Investitionen private Investitionen. Diese zu stimulieren haben wir uns gemeinsam im Sondierungspapier vorgenommen.“Nach dem Willen der FDP sollen die notwendigen Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung vor allem von privaten Unternehmen kommen.
Eine offene Frage ist, ob die Partner mit dem potenziellen Finanzminister Lindner über die Wege zur staatlichen Kreditfinanzierung inoffizielle Absprachen bereits getroffen haben. Die Union jedenfalls dürfte gegen jede Form der Umgehung der Schuldenbremse Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen.
„Es wird keine Umgehung der Schuldenbremse geben“
Wolfgang Kubicki FDP-Vizevorsitzender