Rheinische Post Hilden

Ohne Kohlenstof­f geht es nicht

Die NRW-Industrie steht vor einem Dilemma, wenn sie klimaneutr­al arbeiten soll. Das Land legt jetzt eine Strategie vor, wie das gehen kann.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Umstellung auf eine klimaneutr­ale Produktion­sweise stellt die nordrhein-westfälisc­he Industrie vor enorme Herausford­erungen. Wo der grüne Wasserstof­f für die Stahlwerke von Thyssenkru­pp, Arcelor Mittal und Co. herkommen soll, ist dabei nur eine der zentralen Fragen. Das NRW-Wirtschaft­sministeri­um hat jetzt den Fokus auf ein weiteres Problem gelenkt und dazu gleich eine entspreche­nde Management­Strategie vorgelegt: den Kohlenstof­f. Oft sei von der Dekarbonis­ierung die Rede, sagte NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) am Dienstag in Düsseldorf. Stattdesse­n müsse man aber von einer Defossilis­ierung sprechen. Schließlic­h werde Kohlenstof­f auch weiterhin in der Industrie gebraucht.

Was allerdings bislang als Abfallstof­f oder Nebenprodu­kt anfalle, werde künftig so nicht mehr entstehen. Stahlschla­cken oder Steinkohle­flugasche, die in der Zementindu­strie dringend benötigt werden, müssen also alternativ beschafft werden. Das Land hat dafür eine Karbon-Management-Strategie vorgelegt, die Leitlinien für den Weg in eine klimaneutr­ale Wirtschaft aufweise: „In manchen Bereichen kann man ganz auf Kohlenstof­f verzichten, in anderen ist das ausgeschlo­ssen.“Handlungsf­eld eins richtet sich an die Industrieu­nternehmen, die komplett verzichten könnten. Das ist Pinkwart zufolge etwa in der Aluminiumu­nd Gasindustr­ie möglich, wo Prozesswär­me auf andere Art erzeugt werden könne. Dort aufgelegte Projekte, etwa eines des Aluminium-Produzente­n Trimet aus Essen, unterstütz­e das Land mit Projektför­derungen.

Handlungsf­eld zwei beziehe sich auf die Bereiche, in denen nicht auf Kohlenstof­f verzichtet werden könne. Dort werde das Land die „nachhaltig­e Nutzung alternativ­er Quellen“vorantreib­en. Beispielha­ft nannte er Recycling, den Einsatz von Biomasse oder CO2.

Pinkwart räumte ein, dass sich CO2 nicht gänzlich vermeiden lasse. Dieses solle dann aber weitestgeh­end genutzt werden, beispielsw­eise in der chemischen Industrie. „Abscheidun­g und Nutzung hat Vorrang vor der Speicherun­g“, sagte er, fügte jedoch hinzu: „Überschüss­ige Restmengen vor allem in Industrie und Landwirtsc­haft werden wir in letzter Konsequenz speichern müssen, um die Klimaneutr­alität zu erreichen.“In NRW selbst habe man derzeit jedoch keine Pläne für eigene CO2-Speicher. „Wir stehen da aber im engen Austausch mit anderen europäisch­en Nachbarlän­dern wie etwa den Niederland­en, aber auch Norwegen und anderen Ländern“, sagte Pinkwart. Diese hätten bereits Interesse an einer Zusammenar­beit bekundet. Der Bund müsse dafür aber die rechtliche­n und regulatori­schen Voraussetz­ungen schaffen: „Abscheidun­g, Transport und Speicherun­g von CO2-Restmengen müssen ermöglicht werden, um mit dem Umbau und der Errichtung der Infrastruk­tur beginnen zu können.“

Interessan­t waren bei der Vorstellun­g auch die Zwischentö­ne, die hörbar auch von den Annäherung­en der Ampelsondi­erer bestimmt waren. So sagte der liberale Minister Pinkwart, es fehle an der Entschloss­enheit beim Ausbau der

Erneuerbar­en. Zwar lobte er, dass Nordrhein-Westfalen deutschlan­dweit führend beim Ausbau von Windenergi­e sei, fügte aber hinzu: „In diesem Jahr ist offshore noch gar nichts gebaut worden. Ja, wo soll denn der grüne Strom dann herkommen?“Das Land werde noch im Herbst seine Energiever­sorgungsst­rategie anschärfen. Das betreffe auch den Ausbaupfad der erneuerbar­en Energien und entspreche­nde Maßnahmen.

Die schwarz-gelbe Landesregi­erung war zuletzt insbesonde­re von den Grünen für die Reform der Landesbauo­rdnung attackiert worden. Darin enthalten ist ein Mindestabs­tand von Windrädern zu Wohnbebauu­ng von 1000 Metern. Die Grünen sprechen davon, dass Nordrhein-Westfalen damit den Ausbau der Windkraft im Land abwürge.

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