Ohne Kohlenstoff geht es nicht
Die NRW-Industrie steht vor einem Dilemma, wenn sie klimaneutral arbeiten soll. Das Land legt jetzt eine Strategie vor, wie das gehen kann.
DÜSSELDORF Die Umstellung auf eine klimaneutrale Produktionsweise stellt die nordrhein-westfälische Industrie vor enorme Herausforderungen. Wo der grüne Wasserstoff für die Stahlwerke von Thyssenkrupp, Arcelor Mittal und Co. herkommen soll, ist dabei nur eine der zentralen Fragen. Das NRW-Wirtschaftsministerium hat jetzt den Fokus auf ein weiteres Problem gelenkt und dazu gleich eine entsprechende ManagementStrategie vorgelegt: den Kohlenstoff. Oft sei von der Dekarbonisierung die Rede, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) am Dienstag in Düsseldorf. Stattdessen müsse man aber von einer Defossilisierung sprechen. Schließlich werde Kohlenstoff auch weiterhin in der Industrie gebraucht.
Was allerdings bislang als Abfallstoff oder Nebenprodukt anfalle, werde künftig so nicht mehr entstehen. Stahlschlacken oder Steinkohleflugasche, die in der Zementindustrie dringend benötigt werden, müssen also alternativ beschafft werden. Das Land hat dafür eine Karbon-Management-Strategie vorgelegt, die Leitlinien für den Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft aufweise: „In manchen Bereichen kann man ganz auf Kohlenstoff verzichten, in anderen ist das ausgeschlossen.“Handlungsfeld eins richtet sich an die Industrieunternehmen, die komplett verzichten könnten. Das ist Pinkwart zufolge etwa in der Aluminiumund Gasindustrie möglich, wo Prozesswärme auf andere Art erzeugt werden könne. Dort aufgelegte Projekte, etwa eines des Aluminium-Produzenten Trimet aus Essen, unterstütze das Land mit Projektförderungen.
Handlungsfeld zwei beziehe sich auf die Bereiche, in denen nicht auf Kohlenstoff verzichtet werden könne. Dort werde das Land die „nachhaltige Nutzung alternativer Quellen“vorantreiben. Beispielhaft nannte er Recycling, den Einsatz von Biomasse oder CO2.
Pinkwart räumte ein, dass sich CO2 nicht gänzlich vermeiden lasse. Dieses solle dann aber weitestgehend genutzt werden, beispielsweise in der chemischen Industrie. „Abscheidung und Nutzung hat Vorrang vor der Speicherung“, sagte er, fügte jedoch hinzu: „Überschüssige Restmengen vor allem in Industrie und Landwirtschaft werden wir in letzter Konsequenz speichern müssen, um die Klimaneutralität zu erreichen.“In NRW selbst habe man derzeit jedoch keine Pläne für eigene CO2-Speicher. „Wir stehen da aber im engen Austausch mit anderen europäischen Nachbarländern wie etwa den Niederlanden, aber auch Norwegen und anderen Ländern“, sagte Pinkwart. Diese hätten bereits Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet. Der Bund müsse dafür aber die rechtlichen und regulatorischen Voraussetzungen schaffen: „Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2-Restmengen müssen ermöglicht werden, um mit dem Umbau und der Errichtung der Infrastruktur beginnen zu können.“
Interessant waren bei der Vorstellung auch die Zwischentöne, die hörbar auch von den Annäherungen der Ampelsondierer bestimmt waren. So sagte der liberale Minister Pinkwart, es fehle an der Entschlossenheit beim Ausbau der
Erneuerbaren. Zwar lobte er, dass Nordrhein-Westfalen deutschlandweit führend beim Ausbau von Windenergie sei, fügte aber hinzu: „In diesem Jahr ist offshore noch gar nichts gebaut worden. Ja, wo soll denn der grüne Strom dann herkommen?“Das Land werde noch im Herbst seine Energieversorgungsstrategie anschärfen. Das betreffe auch den Ausbaupfad der erneuerbaren Energien und entsprechende Maßnahmen.
Die schwarz-gelbe Landesregierung war zuletzt insbesondere von den Grünen für die Reform der Landesbauordnung attackiert worden. Darin enthalten ist ein Mindestabstand von Windrädern zu Wohnbebauung von 1000 Metern. Die Grünen sprechen davon, dass Nordrhein-Westfalen damit den Ausbau der Windkraft im Land abwürge.