Vielfalt – ein zweischneidiges Schwert
Wenn Menschen unterschiedlichen Geschlechts, diverser Herkunft oder mit hohen Altersunterschieden zusammenarbeiten, bringt das nicht immer produktivere Ergebnisse. Dafür können andere Ziele erreicht werden.
Diese Szenen kennt jeder: Wenn bei internationalen Konferenzen Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammentreffen, dann bleiben beim gemütlichen Teil meist die Nationalitäten unter sich. Franzosen klönen mit Franzosen, Briten mit Briten, Deutsche mit Deutschen. Manchmal ermahnen die Leiter der Gruppen, sich doch bitte etwas zu mischen. Aber so richtig gelingt das selten. Das ist oft keine böse Absicht, eher der Hang zum Vertrauten. Es ist leichter, in der eigenen Sprache zu reden, die Situation ist gelöst.
Ökonomen haben festgestellt, dass bei diversen Teams ähnliche Phänomene zu beobachten sind. Zwar sind Gruppen, die aus Männern und Frauen, Alten und Jungen sowie verschiedenen Ethnien bestehen, eher bereit, neue Wege zu gehen, Kreativität, Innovation und ausgereifte Entscheidungen zu fördern. Zugleich gibt es aber Tendenzen, dass sich die Jüngeren gegen die Älteren positionieren, die mit perfektem Englisch gegen die nicht so Sprachgewandten, Frauen gegen Männer.
„Ein zweischneidiges Schwert“nennen die drei Wissenschaftler Sabine Börner, Hendrik Hüttermann und Max Reinwald die Diversität. Nach Auswertung zahlreicher Studien zu diesem Thema kommen sie zu dem Schluss, dass Vielfalt „positive wie auch negative Effekte auf die Leistungsfähigkeit von Gruppen“haben kann. So haben sie es jedenfalls für „Stars Insights“aufgeschrieben, einem Blog für Führungspersonen in der Wirtschaft. Die Management-Professorin Börner, die an der Universität Konstanz lehrt, zieht als Fazit: „Die Analyse der zahlreichen Einzelstudien zur Diversität ergibt ein ernüchterndes Bild.“Bestenfalls wenn Spezialisten aus unterschiedlichen
Fachgebieten zusammenarbeiten, so Börner, lasse sich „unter günstigen Umständen ein ökonomischer Erfolg, etwa höhere Produktivität oder Rentabilität, erzielen“. Bei unterschiedlichen Bildungsabschlüssen sind nach ihrer Auswertung die Effekte kaum wahrnehmbar. Haben die Gruppenmitglieder eine unterschiedliche Herkunftsgeschichte oder stammen aus verschiedenen Ländern, geht die Leistungskurve sogar leicht nach unten, während Teams aus Männern und Frauen oder mit unterschiedlichem Alter keine eindeutigen Auswirkungen auf den Erfolg zeigen. Die Professorin plädiert für mehr Realismus in der Diskussion um Diversität in Teams. Schon die Theorie liefere ein „zwiespältiges Bild“. Börner: „Es kommt auf die unterschiedlichen Randbedingungen an.“Die Betriebswirtin räumt ein, dass es zwei theoretische Begründungsfiguren in der Diversitätsforschung gebe, wobei die einen die positiven Effekte betonten, während die anderen gerne auf mögliche Nachteile verwiesen. Die Unternehmensberatung McKinsey hat sogar zweistellige Zuwächse bei finanziellen Zielgrößen in ihrer Studie zur Diversität ermittelt, wobei sowohl gemischt-geschlechtliche als auch ethnisch unterschiedliche Teams untersucht wurden. Doch das ist eben nur eine Studie, andere kommen zu ganz anderen Ergebnissen.
Alice H. Eagly, Professorin für Psychologie und für Management und Organisation an der Northwestern University in den USA, sieht es ähnlich wie die drei deutschen Wissenschaftler. „Trotz des Insistierens der Fürsprecher, dass Frauen in Vorständen den Unternehmenserfolg erhöhen, sind die Forschungsergebnisse gemischt, und wiederholte Meta-Analysen haben durchschnittliche Korrelationsergebnisse erbracht, die bei null liegen oder extrem klein sind“, schrieb die Wissenschaftlerin in der US-Fachzeitschrift „Journal of Social Issues“.
Umgekehrt hat sich vor allem in den Vereinigten Staaten bereits eine kleine Industrie gut vernetzter Gruppen und Institutionen gebildet, die das Ideal der Vielfalt propagieren und auch mit ökonomischen oder sozialem Erfolg gleichsetzen. Dabei zitieren sie viele Untersuchungen, die jedoch oft nicht wissenschaftliche Kriterien erfüllen.
Ist nun Diversität Humbug, wenn es um Wettbewerbsfähigkeit und höhere Produktivität geht? So einfach ist es nicht. Denn auch ernstzunehmende Kritiker der Vielfalt leugnen nicht, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen oder mit diversen Lebenserfahrungen einen Perspektivwechsel ermöglichen. Die Konstanzer Professorin Börner plädiert deshalb nicht für homogene Teams, aber für eine andere Führungskultur: „Ein aufmerksames Management kann diverse Gruppen zu mehr Erfolgen führen. Die Teamleitung sollte Gemeinsamkeiten der Gruppenmitglieder betonen, ein günstiges Diversity-Klima schaffen und die Kompetenz der Einzelnen im Umgang mit Diversity fördern.“Zudem sei ökonomischer Erfolg auch nicht das einzige Kriterium für gemischte Teams. „Es geht auch um gegenseitiges Verständnis, die Verminderung von Ungleichheit und Chancengleichheit“, ergänzt die Forscherin. Es sei gut belegt, dass ein erhöhter Frauenanteil in Führungsgremien mit weniger missbräuchlichem und kriminellem Verhalten, mehr Transparenz und deutlich größerer Aktivität in Richtung gesellschaftlicher Verantwortung einhergehe.
Die Welt hat sich verändert. Sie ist bunter und vielfältiger geworden – zweifellos ein Gewinn. Und die Frage ist nicht, zu homogenen Gruppen weißer Männer zurückzukehren. Aber die Zusammenarbeit in Vielfalt ist auch eine Herausforderung – und nicht unbedingt ein Selbstläufer. Das sollte den allzu eifrigen Propagandisten der Diversität ins Stammbuch geschrieben werden.
Die Zusammenarbeit in Vielfalt ist auch eine Herausforderung – und nicht unbedingt ein Selbstläufer