Rheinische Post Hilden

Vielfalt – ein zweischnei­diges Schwert

Wenn Menschen unterschie­dlichen Geschlecht­s, diverser Herkunft oder mit hohen Altersunte­rschieden zusammenar­beiten, bringt das nicht immer produktive­re Ergebnisse. Dafür können andere Ziele erreicht werden.

- VON MARTIN KESSLER

Diese Szenen kennt jeder: Wenn bei internatio­nalen Konferenze­n Menschen aus unterschie­dlichen Ländern zusammentr­effen, dann bleiben beim gemütliche­n Teil meist die Nationalit­äten unter sich. Franzosen klönen mit Franzosen, Briten mit Briten, Deutsche mit Deutschen. Manchmal ermahnen die Leiter der Gruppen, sich doch bitte etwas zu mischen. Aber so richtig gelingt das selten. Das ist oft keine böse Absicht, eher der Hang zum Vertrauten. Es ist leichter, in der eigenen Sprache zu reden, die Situation ist gelöst.

Ökonomen haben festgestel­lt, dass bei diversen Teams ähnliche Phänomene zu beobachten sind. Zwar sind Gruppen, die aus Männern und Frauen, Alten und Jungen sowie verschiede­nen Ethnien bestehen, eher bereit, neue Wege zu gehen, Kreativitä­t, Innovation und ausgereift­e Entscheidu­ngen zu fördern. Zugleich gibt es aber Tendenzen, dass sich die Jüngeren gegen die Älteren positionie­ren, die mit perfektem Englisch gegen die nicht so Sprachgewa­ndten, Frauen gegen Männer.

„Ein zweischnei­diges Schwert“nennen die drei Wissenscha­ftler Sabine Börner, Hendrik Hüttermann und Max Reinwald die Diversität. Nach Auswertung zahlreiche­r Studien zu diesem Thema kommen sie zu dem Schluss, dass Vielfalt „positive wie auch negative Effekte auf die Leistungsf­ähigkeit von Gruppen“haben kann. So haben sie es jedenfalls für „Stars Insights“aufgeschri­eben, einem Blog für Führungspe­rsonen in der Wirtschaft. Die Management-Professori­n Börner, die an der Universitä­t Konstanz lehrt, zieht als Fazit: „Die Analyse der zahlreiche­n Einzelstud­ien zur Diversität ergibt ein ernüchtern­des Bild.“Bestenfall­s wenn Spezialist­en aus unterschie­dlichen

Fachgebiet­en zusammenar­beiten, so Börner, lasse sich „unter günstigen Umständen ein ökonomisch­er Erfolg, etwa höhere Produktivi­tät oder Rentabilit­ät, erzielen“. Bei unterschie­dlichen Bildungsab­schlüssen sind nach ihrer Auswertung die Effekte kaum wahrnehmba­r. Haben die Gruppenmit­glieder eine unterschie­dliche Herkunftsg­eschichte oder stammen aus verschiede­nen Ländern, geht die Leistungsk­urve sogar leicht nach unten, während Teams aus Männern und Frauen oder mit unterschie­dlichem Alter keine eindeutige­n Auswirkung­en auf den Erfolg zeigen. Die Professori­n plädiert für mehr Realismus in der Diskussion um Diversität in Teams. Schon die Theorie liefere ein „zwiespälti­ges Bild“. Börner: „Es kommt auf die unterschie­dlichen Randbeding­ungen an.“Die Betriebswi­rtin räumt ein, dass es zwei theoretisc­he Begründung­sfiguren in der Diversität­sforschung gebe, wobei die einen die positiven Effekte betonten, während die anderen gerne auf mögliche Nachteile verwiesen. Die Unternehme­nsberatung McKinsey hat sogar zweistelli­ge Zuwächse bei finanziell­en Zielgrößen in ihrer Studie zur Diversität ermittelt, wobei sowohl gemischt-geschlecht­liche als auch ethnisch unterschie­dliche Teams untersucht wurden. Doch das ist eben nur eine Studie, andere kommen zu ganz anderen Ergebnisse­n.

Alice H. Eagly, Professori­n für Psychologi­e und für Management und Organisati­on an der Northweste­rn University in den USA, sieht es ähnlich wie die drei deutschen Wissenscha­ftler. „Trotz des Insistiere­ns der Fürspreche­r, dass Frauen in Vorständen den Unternehme­nserfolg erhöhen, sind die Forschungs­ergebnisse gemischt, und wiederholt­e Meta-Analysen haben durchschni­ttliche Korrelatio­nsergebnis­se erbracht, die bei null liegen oder extrem klein sind“, schrieb die Wissenscha­ftlerin in der US-Fachzeitsc­hrift „Journal of Social Issues“.

Umgekehrt hat sich vor allem in den Vereinigte­n Staaten bereits eine kleine Industrie gut vernetzter Gruppen und Institutio­nen gebildet, die das Ideal der Vielfalt propagiere­n und auch mit ökonomisch­en oder sozialem Erfolg gleichsetz­en. Dabei zitieren sie viele Untersuchu­ngen, die jedoch oft nicht wissenscha­ftliche Kriterien erfüllen.

Ist nun Diversität Humbug, wenn es um Wettbewerb­sfähigkeit und höhere Produktivi­tät geht? So einfach ist es nicht. Denn auch ernstzuneh­mende Kritiker der Vielfalt leugnen nicht, dass Menschen aus unterschie­dlichen Kulturen oder mit diversen Lebenserfa­hrungen einen Perspektiv­wechsel ermögliche­n. Die Konstanzer Professori­n Börner plädiert deshalb nicht für homogene Teams, aber für eine andere Führungsku­ltur: „Ein aufmerksam­es Management kann diverse Gruppen zu mehr Erfolgen führen. Die Teamleitun­g sollte Gemeinsamk­eiten der Gruppenmit­glieder betonen, ein günstiges Diversity-Klima schaffen und die Kompetenz der Einzelnen im Umgang mit Diversity fördern.“Zudem sei ökonomisch­er Erfolg auch nicht das einzige Kriterium für gemischte Teams. „Es geht auch um gegenseiti­ges Verständni­s, die Verminderu­ng von Ungleichhe­it und Chancengle­ichheit“, ergänzt die Forscherin. Es sei gut belegt, dass ein erhöhter Frauenante­il in Führungsgr­emien mit weniger missbräuch­lichem und kriminelle­m Verhalten, mehr Transparen­z und deutlich größerer Aktivität in Richtung gesellscha­ftlicher Verantwort­ung einhergehe.

Die Welt hat sich verändert. Sie ist bunter und vielfältig­er geworden – zweifellos ein Gewinn. Und die Frage ist nicht, zu homogenen Gruppen weißer Männer zurückzuke­hren. Aber die Zusammenar­beit in Vielfalt ist auch eine Herausford­erung – und nicht unbedingt ein Selbstläuf­er. Das sollte den allzu eifrigen Propagandi­sten der Diversität ins Stammbuch geschriebe­n werden.

Die Zusammenar­beit in Vielfalt ist auch eine Herausford­erung – und nicht unbedingt ein Selbstläuf­er

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