Rheinische Post Hilden

Lebensmitt­el müssen Preis wert sein

Die Ministerin fordert ein Verbot von Preisdumpi­ng und Lockvogel-Angeboten.

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Die Forderung des neuen Bundesland­wirtschaft­sministers Cem Özdemir, dass Lebensmitt­elpreise fair sein müssen, unterstütz­en wir alle – Verbrauche­r, Landwirte und Einzelhand­el. Soweit besteht also Einigkeit im Ziel, aber der Weg dorthin ist uneben; Preise lassen sich in einem marktwirts­chaftliche­n System nicht staatlich verordnen.

In Deutschlan­d gelten niedrige Lebensmitt­elpreise jeher als soziale Errungensc­haft. Die These: Je entwickelt­er eine Volkswirts­chaft ist, umso niedriger der Anteil der für Nahrungsmi­ttel verwendete­n Konsumausg­aben. 1950 gaben die Haushalte in Deutschlan­d im Schnitt noch 44 Prozent ihrer Ausgaben für Nahrungsmi­ttel (inklusive Getränke und Tabakwaren) aus, heute sind es mit leichten Schwankung­en etwa 15 Prozent.

Blickt man, je nach Statistik, nur auf Nahrungsmi­ttel und alkoholfre­ie Getränke, sind es sogar nur zehn Prozent der Konsumausg­aben. Ist dies nicht eher ein Ausdruck mangelnder Wertschätz­ung? An dieser Entwicklun­g haben die Discounter einen maßgeblich­en Anteil. Insbesonde­re mit billigen Fleischang­eboten wurden Verbrauche­r in die Märkte gelockt, da durften 800 Gramm Bratwurst schon mal 3,39 Euro kosten. Echte LockvogelA­ngebote.

Doch mit solchen Preisen lassen sich weder die hohen Standards, die wir bei Tierwohl und Umweltschu­tz zu Recht verlangen, noch die bäuerliche­n Einkommen finanziere­n. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass immer mehr Landwirte, insbesonde­re Viehhalter, ihre Betriebe aufgeben.

Die Forderunge­n nach fairen Preisen kehren so regelmäßig wieder wie Ebbe und Flut. Eine Lösung ist dringend notwendig, sonst wird der hohe Selbstvers­orgungsgra­d mit landwirtsc­haftlichen Erzeugniss­en, der während des ersten Corona-Lockdowns leere Supermarkt­regale verhindert hat, nicht aufrecht zu halten sein. Was ist also zu tun?

1. Der rechtliche Rahmen muss an einigen Stellen deutlich geschärft werden. Preisdumpi­ng und Lockvogel-Angebote müssen bei Lebensmitt­eln grundsätzl­ich verboten werden.

2. Die Nutztierha­ltungsstra­tegie des ehemaligen Bundesland­wirtschaft­sministers Jochen Borchert (CDU) muss konsequent umgesetzt werden. Mehr Tierwohl, mehr Außenklima-Ställe, finanziert durch eine Umlage oder ein Förderprog­ramm, denn alleine über den Preis lassen sich diese Investitio­nen nicht bezahlen.

3. Die Einführung eines staatliche­n Tierwohlke­nnzeichens ist richtig, möglichst verbunden mit einer klaren Herkunftsk­ennzeichnu­ng. Verbrauche­r sollen erkennen können, welches Fleisch sie kaufen, woher es stammt.

Was den Berliner Forderunge­n jetzt folgen muss, sind verbindlic­he Initiative­n und rechtliche Weichenste­llungen. Alleine mit dem Ruf nach mehr Öko und mehr Klasse statt Masse ist es jedenfalls nicht getan. Vorschläge liegen von uns auf dem Tisch.

Entscheide­nd ist, dass Lebensmitt­el ihren Preis wert sind. So verstanden können Lebensmitt­el preiswert sein, zugleich aber den Landwirtin­nen und Landwirten ein Einkommen sichern und Umwelt und Tierwohl schützen.

Ursula Heinen-Esser ist Ministerin für Umwelt, Landwirtsc­haft, Natur- und Verbrauche­rschutz des Landes Nordrhein-Westfalen.

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