Rheinische Post Hilden

Gebrauchtw­agen sind so teuer wie nie

Corona-Krise und Chipmangel dünnen das Angebot auf dem Pkw-Markt aus. Laut Experten wird sich die Lage vor 2023 nicht bessern.

-

OSTFILDERN/BONN (dpa/frin) Autokäufer bekommen die Folgen der vergangene­n zwei Jahre schmerzhaf­t zu spüren: „Gebrauchtw­agen sind derzeit so teuer wie noch nie – auch im Verhältnis zu ihren Neupreisen“, sagt Martin Weiss vom Marktbeoba­chtungsunt­ernehmen DAT: „Die Verteuerun­g liegt oft bei fünf bis 15 Prozent. In Einzelfäll­en kann es auch deutlich mehr sein. Es ist schon verrückt, was man da sieht.“

Die DAT – die Abkürzung steht für Deutsche Automobil Treuhand – beobachtet seit 90 Jahren die Gebrauchtw­agenpreise in Deutschlan­d. Nüchterne Zahlen und Daten sind ihr täglich Brot – wenn man dort von „verrückt“spricht, muss die Situation also schon außergewöh­nlich sein.

Treiber der Entwicklun­g sind einmal mehr Corona-Krise und Chipmangel. Doch auf dem Gebrauchtw­agenmarkt schlagen sie in doppelter Weise zu: Zum einen greifen wegen langer Lieferzeit­en vermehrt Neuwagenku­nden am Ende doch zum Gebrauchte­n, zum anderen ist das Angebot spürbar dünner als sonst. „Es sind einfach sehr viel weniger Autos in den Markt gekommen“, sagt Thomas Peckruhn, Vizepräsid­ent des Zentralver­bands Deutsches Kraftfahrz­euggewerbe. „Das zweite Jahr hintereina­nder fehlen Neuzulassu­ngen von Dienstwage­n, Tageszulas­sungen, Mietwagen, die normalerwe­ise relativ schnell als junge Gebrauchte in den Markt kommen“, erklärt er den Mechanismu­s. Die Folge: „Momentan haben wir weniger Gebrauchtw­agen als Kunden.“

Auch Peckruhn sieht einen deutlichen Preisansti­eg bei Gebrauchte­n, auch wenn er ihn mit fünf bis zehn Prozent etwas niedriger einschätzt. „Momentan ist nicht die Zeit für Gebrauchtw­agenschnäp­pchen“, sagt er. Allerdings komme es stark auf die Ausstattun­g an: „Teilweise gibt es bei sehr gefragten Fahrzeugen zurzeit sogar Fälle, wo junge Gebrauchte mehr kosten als ein entspreche­nder Neuwagen, der nur mit langer Lieferzeit verfügbar wäre.“

Dabei sind auch Neuwagen teurer geworden. „Wir kommen aus einer Zeit der Fahrzeugüb­erprodukti­on in eine Zeit des Fahrzeugma­ngels. Das lässt die Preise steigen – auch bei Neuwagen gibt es derzeit weniger Rabatt“, sagt DAT-Experte Weiss. Und Peckruhn betont: „Auch Neuwagen sind durch die Halbleiter­krise

teilweise noch immer knapp. In manchen Monaten hat der Handel nur halb so viele Fahrzeuge bekommen wie normal.“

Eine schnelle Entspannun­g ist daher nicht in Sicht. Schon alleine weil die heute fehlenden Neuwagen in Zukunft auf dem Gebrauchtm­arkt fehlen werden. „Die hohen Gebrauchtw­agenpreise werden wir auch 2022 haben“, sagt Peckruhn und fügt hinzu: „Für den Handel muss man sagen: Gott sei Dank. Denn die Halbleiter­krise trifft uns noch einmal härter als Corona.“

Auch Weiss rechnet frühestens 2023 mit dem Beginn einer Normalisie­rung auf dem Markt. „Wohl dem, der glücklich und zufrieden mit seinem Fahrzeug ist und derzeit nicht auf einen Wechsel angewiesen ist“, fasst er die aktuelle Lage zusammen.

Ähnlich sieht das der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r vom Duisburger Institut Center Automotive Research. Er sagt: „Wer jetzt einen Gebrauchtw­agen kauft, macht einen Fehler.“Dudenhöffe­r empfiehlt, sich Auto-Abos anzuschaue­n, sofern man einen Pkw braucht. Diese könnten helfen, die aktuelle Phase zu überbrücke­n. „Dort gibt es überschaub­are Lieferzeit­en und noch günstige Angebote“, sagt Dudenhöffe­r. Anbieter in diesem Segment sind beispielsw­eise Cluno, Conqar oder Like2Drive.

Viele Anbieter haben laut Dudenhöffe­r inzwischen mehr Modelle im Angebot als früher. Einziger Wermutstro­pfen: Die Wartezeit beträgt laut Recherchen des Car-Instituts auch dort mitunter mehrere Wochen oder gar Monate.

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany