„Zu oft sieht man Betrunkene auf Rollern“
Der Präsident der Deutschen Verkehrswacht nimmt E-Scooter-Fahrer ins Visier und fordert ein Alkoholverbot.
Herr Bodewig, ist der Koalitionsvertrag mit Blick auf die Verkehrssicherheit ein Aufbruch?
BODWEIG Ich bin zufrieden. Das klare Bekenntnis zu Vision Zero ist gut. Viele uns wichtige Themen werden angesprochen. Die Bereitschaft der Ampelkoalition, die Straßenverkehrsordnung neu zu strukturieren, ist notwendig. Denn bisher haben wir immer stufenweise Ergänzungen vorgenommen. Wir brauchen hier aber dringend etwas aus einem Guss.
Was meinen Sie damit konkret? BODEWIG Wir müssen neue Erscheinungen im Straßenverkehr auch neu bewerten – zum Beispiel bei vielfältigen Fortbewegungsarten, technischen Innovationen oder auch Klimaund Umweltaspekten. Ebenso sollten Sanktionen und präventive Regelungen auf wissenschaftlicher Basis entwickelt werden. Zudem müssen wir uns intensiver mit neueren Phänomen wie Posern, die ihre Fahrzeuge regelwidrig verändern, oder mit illegalen Autorennen auseinandersetzen – sowohl im Strafrecht als auch in der Straßenverkehrsordnung.
Die Koalition plant die baldige Freigabe von Cannabis. Was heißt das für die Sicherheit im Straßenverkehr?
BODEWIG Wenn es so kommt, brauchen wir dringend neue Kontrolltechniken. Denn es kann sein, dass dann vermehrt Verstöße gegen das Verbot des Fahrens unter Einfluss von Drogen festgestellt werden. Bisher können wir nur die längeren Konsumlinien verfolgen. Auch gilt es dann, das Strafmaß zu überprüfen. Das ist eine Debatte, die wir auf dem nächsten Verkehrsgerichtstag anstoßen sollten.
Welche Maßnahmen sind darüber hinaus dringlich?
BODEWIG Elektro-Scooter sind zu einem großen Problem für die Sicherheit auf der Straße geworden. Die Zulassung zum Straßenverkehr 2019 war zwar hip, ist aber nicht verantwortungsvoll geschehen. Es gibt keine echte Reglementierung. Außer dem, was die Verkehrssicherheitsverbände mühsam durchgesetzt haben – zum Beispiel das Verbot, auf Fußgängerwegen zu fahren.
Das heißt, Sie fordern Nachbesserungen?
BODEWIG Ja. Bei einer Anzahl von Verkehrstoten im zweistelligen Bereich bin ich persönlich für eine Helmpflicht beim Elektrotretroller. Dieser E-Roller ist ein Kraftfahrzeug – das ist der Unterschied zum Fahrrad. E-Scooter sind schnell und können bei Unfällen zu schlimmen Verletzungen führen. Darüber hinaus plädiere ich für ein generelles Alkoholverbot, wenn man E-Scooter fährt. Zu oft sieht man in den Städten Betrunkene, die mit den ERollern unterwegs sind. Auch das ist brandgefährlich. Unfälle mit E-Scootern betreffen ganz oft die schwächsten Verkehrsteilnehmer, die Fußgänger. Zudem ist die ungeregelte Abstellung der Fahrzeuge ein großes Problem für behinderte Menschen. Überdies muss überlegt werden, ob diejenigen, die unter Alkoholeinfluss mit einem E-Scooter einen Unfall verursachen, nicht auch ihre existierende Fahrerlaubnis verlieren. Solche Fragen sollten wir jetzt offen diskutieren.
Ist das nicht zu hart? Nicht jeder EScooter-Nutzer verhält sich unvernünftig.
BODEWIG Das stimmt. Es gibt Menschen, die die Geräte ganz vernünftig als Teil ihrer Mobilitätskette nutzen. Die gehen auch sorgsam damit um. Bei der Zulassung hat man aber ignoriert, dass diese Roller überwiegend zu einem freizeitorientierten und touristischen Fortbewegungsmittel werden würden. Dabei ging es ursprünglich um die letzte Meile, um die Verzahnung von Verkehrsmitteln. Deshalb haben wir auch einen Nachweis der Regelbeherrschung durch allgemeinen oder spezifischen Führerschein gefordert.
Zuletzt haben Bund und Länder nochmal an den Bußgeldern geschraubt, bei zu schnellem Fahren etwa. Ist das Ende hier erreicht? BODEWIG Die Verschärfungen waren richtig. Aber manches wurde außer Acht gelassen – Stichwort Ablenkung. Es gibt Staaten, die setzen sogar Handy-Blitzer ein wie in den Niederlanden, sodass festgestellt werden kann, ob jemand am Steuer mit dem Mobiltelefon hantiert. Mittlerweile hat jeder zehnte Unfall Ablenkung als Ursache oder Mitursache. Da ist bei den Bußgeldern noch Luft nach oben.
Spielen Sie auch auf die beliebten Kopfhörer im Straßenverkehr an? BODEWIG Ich glaube, dass wir an ein Kopfhörerverbot ran müssen, allein schon deswegen, weil immer mehr Elektroautos auf den Straßen unterwegs sein werden. Diese Fahrzeuge hört man dann überhaupt nicht mehr.
Auch das begleitete Fahren mit 16 soll kommen. Ein richtiger Schritt? BODEWIG In jedem Fall. Begleitetes Fahren mit 17 war eine Idee der Verkehrswacht. Man bekommt so als Anfänger nicht nur Erfahrungen von Vertrauenspersonen vermittelt. Sondern mit begleitetem Fahren mit 16 wird der Lernprozess länger, was wir unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit für sehr sinnvoll erachten.