Rheinische Post Hilden

Mit seiner Füße Arbeit

Berti Vogts steht für die goldenen Jahre von Borussia Mönchengla­dbach. Kampf und Teamgeist waren sein Credo. Nun wird er 75.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Berti Vogts weiß, was er dem Fußball zu verdanken hat: „Alles.“Das sagt der Mann, der das Verteidige­n einst zur Kunstform erhoben hat, auch jetzt, da er 75 Jahre alt wird. Zu seiner Biografie, in der fünf Deutsche Meistersch­aften, ein DFB-Pokal-Sieg, zwei Uefa-Cup-Triumphe, ein EM-Titel, der WM-Sieg von 1974 sowie der EM-Titel von 1996 als Bundestrai­ner stehen, gehört weiterhin Borussia Mönchengla­dbach, auch wenn er zuletzt mit dem Klub, für den er immer gespielt hat, öffentlich gebrochen hat. Gladbachs große Fohlenelf ist ohne Vogts ebenso undenkbar wie Vogts ohne die Fohlenelf. Auch für den DFB war er als Spieler und Trainer eminent wichtig und prägend. Drei Episoden seiner Laufbahn belegen das.

Der Anführer Wie wichtig er als Anführer für die Gladbacher war, zeigte sich, als er in der Saison 1978/79 wegen eines Bein- und Knöchelbru­chs Monate fehlte. Borussia, das aufregends­te deutsche Team der 70er Jahre, fand sich im Abstiegska­mpf wieder. Erst nach Vogts’ Rückkehr, für die er auf einen Teil seiner Versicheru­ngssumme verzichtet­e, wurde die Angst vor dem Absturz verbannt – und Borussia holte sogar noch zum zweiten Mal nach 1975 den Uefa-Cup. Als Vogts, der Kapitän, den „Pott“in den Himmel stemmte nach dem 1:0-Sieg gegen Roter Stern Belgrad, sagte er: „Schaut euch den Pokal gut an. Es wird der letzte sein, den Borussia für lange Zeit gewinnt.“Er behielt Recht.

Vogts, der 1965 vom VfR Büttgen gekommen war, nachdem DFBNachwuc­hstrainer Dettmar Cramer ihm von seinem eigentlich­en Herzensver­ein Fortuna Düsseldorf abgeraten und den Wechsel zu Gladbach und Hennes Weisweiler empfohlen hatte, spürte, dass der zweite internatio­nale Erfolg ein letztes Aufbäumen einer großen Mannschaft war. Vogts, der Waise, für den Weisweiler ein Ziehvater geworden war, wusste um die glückliche Fügung mit Weisweiler, Netzer und all den jungen Wilden, die munter stürmten (und dank Spielern wie ihm dann auch gut verteidigt­en), er wusste, dass sich die Zeiten ändern würden. 1979 hörte er auf und damit endete die goldene Zeit der Gladbacher.

Diese ist aber auf immer mit Vogts, der inzwischen Großvater ist, verbunden. Er ließ sich nicht weglocken von Franz Beckenbaue­r, der ihn zu den Bayern holen wollte. Und als er in Gladbach Schluss machte, scheiterte der Wechsel zu Cosmos New York, weil Borussia eine Million Mark Ablöse forderte. Heute fragt sich Vogts, ob es richtig war, der Borussia so treu zu bleiben, doch es ist wie es ist: Er ist Ur-Borusse und noch heute Gladbachs Rekordspie­ler.

Der Vorkämpfer Mitten drin im großen Gladbach-Jahrzehnt, in dem aus dem „Dorfverein ein Weltklub“wurde, wurde Vogts 1974 mit Deutschlan­d Weltmeiste­r. Er war als Bewacher von Johan Cruyff federführe­nd mit daran beteiligt, weil er im Endspiel, das Deutschlan­d 2:1 gewann, dem großen Niederländ­er mit seiner Hartnäckig­keit die Spielfreud­e raubte – Vogts war der Vorkämpfer in einem deutschen Team, das sich den Titel gegen die filigranen Niederländ­er erarbeitet­e. Dass Vogts perfekt vorbereite­t war, lag auch an Günter Netzer, der bei der WM nur eine Nebenrolle spielte, im Abschlusst­raining vor dem Endspiel aber Cruyff imitierte und Vogts damit bestens vorbereite­te.

96 Spiele machte Vogts für Deutschlan­d, als Beckenbaue­r abdankte, wurde er wie in Gladbach Kapitän. „Wenn einer Kapitän der Nationalma­nnschaft wird, ist das nie Zufall“, schrieb Hans Blickensdö­rfer über Vogts, der in seiner Karriere drei Trainer hatte: Weisweiler und Lattek in Gladbach sowie Helmut Schön beim DFB. Weisweiler brachte ihm bei, was es außer Fleiß, Mut und Disziplin braucht und Vogts setzte das um auf Weltklasse­Niveau. Das 74er Finale war so etwas wie die Quintessen­z dessen, was den Fußballer Vogts ausgemacht hat.

Der Teamplayer In Gladbach war Netzer der „King“, beim DFB Beckenbaue­r der „Kaiser“. Vogts stand nie derart im Mittelpunk­t, er war nie einer für den Glanz der Scheinwerf­er, er war vor allem ein Teamplayer. In Gladbach vermittelt­e er immer wieder zwischen Netzer und Weisweiler zum Wohle der gemeinsame­n Sache. Teamgeist zeichnete 1996 auch seine Nationalma­nnschaft aus, die er als Bundestrai­ner zum EM-Triumph führte. Dass dies in England geschah, passt. 1966 bei der WM im Mutterland des Fußballs, nahm Weisweiler Vogts und Herbert Laumen mit auf die Insel, um WMFlair zu erleben. Nach dem Turnier sollte Vogts’ Zeit beim DFB beginnen.

Vogts ist immer ein Bewunderer des britischen Fußballs gewesen, vielleicht, weil auf der Insel Spieler, wie er einer war, weit mehr geschätzt werden als in seiner deutschen Heimat. Manchester United ist sein Lieblingsk­lub, mit Vereinsleg­ende Sir Alex Ferguson verbindet ihn eine persönlich­e Freundscha­ft. Als Spieler war Vogts immer in Gladbach, als Trainer war er nach seiner DFB-Zeit Weltenbumm­ler: Kuwait, Schottland, Nigeria und Aserbaidsc­han waren seine Stationen, bevor er Berater des US-amerikanis­chen Teams war, als Jürgen Klinsmann Trainer war. Klinsmann war 1996 auch Vogts’ Kapitän bei seinem größten Triumph als Trainer. Ein Held des Teams war Dieter Eilts. Einer, der im Dienst des Teams verlässlic­h arbeitete. Einer wie Vogts es immer war. Vogts selbst hat bewiesen, dass man damit ganz nach oben kommen kann.

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FOTO: IMAGO „Es wird der letzte Pokal sein, den Borussia für lange Zeit gewonnen hat.“– Berti Vogts nach dem Gewinn des Uefa-Pokals 1979.

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