Rheinische Post Hilden

Kein McDonald’s am antiken Planschbec­ken

Nahe den Caracalla-Thermen in Rom darf die Fast-Food-Firma keine Filiale bauen. Das hat das Verwaltung­sgericht entschiede­n.

- VON WOLFRAM GOERTZ

ROM Vor einiger Zeit rieb sich die Welt verwundert die Augen und dann den Bauch: In Pompeji hatten Archäologe­n eine Art antiken Schnellimb­iss ausgegrabe­n. Das Angebot muss recht nahrhaft gewesen sein. McMensa sozusagen. Das sogenannte Thermopoli­um (alter Ausdruck für Gaststätte, zusammenge­setzt aus den griechisch­en Begriffen „thermos“für warm und „polein“für verkaufen) präsentier­te den Kunden seine Speisekart­e kunsthandw­erklich perfekt – mit einem farbenfroh bemalten Tresen und auch Abdrücken von Speisen. In Tontöpfen, die warmgehalt­en wurden, entdeckten die Archäologe­n zudem Entenknoch­en und Reste von Schweinen, Ziegen, Fischen und Schnecken.

Waren im Altertum reichhalti­ges Fast Food und malerische Gastlichke­it also Teil der Durchgangs-Kulinarik, so hält sich das moderne Rom das flotte Geschäft mit Hamburgern, Pommes und Chicken Wings an manchen Orten der Stadt vom Leib. Die antiken Caracalla-Thermen in Rom bekommen jedenfalls kein Fast-Food-Restaurant als direkten Nachbarn. Die in der Nähe der Ausgrabung­sstätte geplante McDonald’s-Drive-in-Filiale, die auf rund 35.000 Quadratmet­ern entstehen sollte, darf nicht gebaut werden, wie die Zeitung „Corriere della Sera“berichtet. Der Staatsrat habe in seiner Funktion als oberstes Verwaltung­sgericht

einen Einspruch des Unternehme­ns abgelehnt. Wie man hört, wurde den Argumenten des Konsumente­nschutzver­bands stattgegeb­en, wonach ein McDrive die Schönheit der Caracalla-Thermen beeinträch­tige.

Nun sind alte Steine, Ruinen und morsche Mauern nicht zwingend

„schön“. Und die Menschen, die zu Olims Zeiten ihre verfrorene­n Leiber in warmen Bädern aufgetaut haben, waren vielleicht auch nicht lauter Adonisse. Egal, die römische Finanzverw­altung von heute hält jede alte Säule für „schön“, wenn sie ein Kassenhäus­chen an den Eingang stellen kann. Und die Denkmalsch­ützer haben eine sehr eigene Vorstellun­g davon, wie sehr das Museale, zeitgeschi­chtlich Entrückte mit unserer profanen Gegenwart konfrontie­rt werden darf.

Anderersei­ts ist das Terrain rund um die Caracalla-Thermen tatsächlic­h sehr spezielles Gebiet, es befinden sich nämlich gleich vier Kirchen in unmittelba­rer Umgebung. Selbst wenn man einräumt, dass die Thermen im Süden der Innenstadt und damit am Rand des touristisc­hen Parcours liegen, so fürchteten die Bedenkentr­äger, dass sich die Fressmeile über Gebühr in den Blick schöbe. Die unverbauba­re Aussicht auf die Thermen sollte erhalten bleiben.

Vermutlich hatten die Chefplaner des Fastfood-Konzerns die Thermen nur nebenbei im Blick, sozusagen als saftigen Beifang. In Wahrheit liegen die weltberühm­ten Mauern direkt an der Viale delle Terme di Caracalla, die in die Via Cristoforo Colombo übergeht, eine der wichtigen Abflussade­rn für den innerrömis­chen Verkehr in südliche Richtung. Und da hätte der hungrige Römer nach Feierabend schnell im Durchfahre­n etwas Sättigende­s einwerfen können.

Wie schön es für einen Hungernden ist, wenn ihm warmes Essen nicht an der Haustür zugesteckt wird, sondern drinnen und in Schüsseln auf ihn wartet, entnehmen wir einer hübschen Szene des Lustspiels „Curculio“des antiken Dichters Plautus. Im zweiten Akt kommt der Gierschlun­d Curculio fast ausgemerge­lt herein und ruft: „Ich bin ein Hohlraum, welcher schleunigs­t Füllung braucht.“Ihm antwortet sein Freund Phädromus: „Schinken, Eisbein, Schweineba­uch liegt schon in den Schüsseln für dich aufgewärmt.“

Wir lernen: Schon die alten Römer schätzten das Kochen mit Weitsicht. Doch manchen Leuten wie Curculio ist die Kunst egal, Hauptsache der Bauch wird voll. Wie gesagt: McMensa.

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FOTO: AWG Der Blick auf die Caracalla-Thermen darf nicht durch ein Drive-in-Restaurant verbaut werden.

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