Rheinische Post Hilden

Exoten von nebenan

Zwei Landwirte aus dem Rheinland züchten Strauße und Wasserbüff­el. Die Tiere werden auf großen Weiden gehalten, ihr Fleisch ist fett- und cholesteri­narm und kräftig im Geschmack.

- VON JULIA SIEGERS

Kevelaer ist nicht Südafrika und Wegberg nicht Südeuropa oder Asien – und doch finden eigentlich exotische Tiere wie Strauße und Wasserbüff­el, die man nicht unbedingt am Niederrhei­n verortet, hier eine Umgebung, in der sie sich sichtlich wohlfühlen und gut gedeihen. „Auch in seiner Heimat ist der Strauß kühle Temperatur­en, vor allem nachts, gewohnt. Sein dichtes Gefieder schützt ihn vor Kälte und Nässe“, erklärt Züchter Clemens Jeuken aus Kevelaer-Wetten. Er hält seine Vögel zudem auf großen Weiden, wo sie viel Auslauf haben, wie es für die Fluchttier­e wichtig ist. Zwar vermarktet Jeuken hauptsächl­ich die Straußenkü­ken, die er an andere Züchter weiterverk­auft, aber in seinem Hofladen ist auch (am besten auf Vorbestell­ung) das Fleisch seiner Vögel, das ein Metzger aus der Region für ihn vorbereite­t, erhältlich.

„Straußenfl­eisch schmeckt ähnlich wie Rind oder Wild, kräftig-intensiv, und hat dabei die positiven Eigenschaf­ten von Geflügel“, fasst der erfahrene Züchter das Wichtigste zusammen. Tatsächlic­h ähnelt das rote Fleisch in Farbe und Textur sehr dem Rind, ist dabei aber äußerst mager und cholesteri­narm. Dazu können bewusste Genießer sich über einen hohen Proteingeh­alt freuen. Etwa ein bis eineinhalb Jahre alt werden die Tiere, bevor sie geschlacht­et werden. Dabei ist interessan­t, dass Strauße als Laufvögel, anders als anderes Geflügel, kein Brustfleis­ch haben. Verwendet wird das Filet aus dem Rücken zum Beispiel für Steaks sowie das Fleisch der Keulen für Braten oder Gulasch.

Züchter Clemens Jeuken hat inzwischen viel Erfahrung nicht nur bei der Haltung der Vögel, sondern auch bei der Zubereitun­g des Fleisches gesammelt. Er empfiehlt: „Das Fleisch für ein Steak sollte relativ dünn, ein bis zwei Zentimeter breit geschnitte­n werden. Dann nur wirklich ganz kurz von jeder Seite anbraten, die Hitze reduzieren, einen Deckel auf die Pfanne legen und die Steaks wenige Minuten nachziehen lassen.“

Genauso funktionie­rt es auch auf einem Grill mit Deckel. Es braucht vielleicht ein bisschen Übung, es auf den Punkt hinzubekom­men, da durch den geringen Fettanteil das Fleisch leicht ein bisschen zu trocken gerät, aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Einen Straußenbr­aten oder ein Gulasch bereitet man ebenso unkomplizi­ert wie bekannte Braten aus anderen Fleischsor­ten zu: Fleisch anbraten, mit Flüssigkei­t wie Brühe oder Wein aufgießen und schmoren lassen, bis es weich ist. Das dauert bei einem Braten von einem Kilogramm etwa eine bis eineinhalb Stunden.

Wer noch auf der Suche nach einer Vorspeise oder Beilage ist: Jeuken vermarktet im Frühjahr auch die Straußenei­er, von denen eines bis zu anderthalb Kilo wiegen kann. Der Inhalt entspricht etwa 25 Hühnereier­n, sodass sich daraus problemlos Omelette für mehrere Personen herstellen lassen.

Nachhaltig­keit, bestmöglic­he Verwertung seiner Tiere und Bio-Qualität sind auch das Credo von Wasserbüff­el-Züchter Reinhold Müller aus Wegberg. Seine robusten Tiere, die ursprüngli­ch aus Südeuropa stammen und heute noch dort sowie in Feuchtgebi­eten in Asien leben, vertragen das hiesige Klima bestens und verbringen das ganze Jahr draußen auf Naturschut­z-Weiden. „Büffel sind wenig wählerisch“, sagt Reinhold Müller: „Sie fressen nicht nur Gras, sondern auch alle Kräuter und Unkräuter, sogar Brennnesse­ln. Im Winter wird Heu zugefütter­t.“

Was es nicht gibt, sind zusätzlich­es Kraftfutte­r, Vitamine oder gar Medikament­e. Und das wirkt sich auf die bio-zertifizie­rte Fleischqua­lität aus. „Büffelflei­sch hat einen kräftigen, intensiven Eigengesch­mack, für den man bei der Zubereitun­g kaum noch Gewürze braucht“, erläutert der Züchter, „es schmeckt intensiver als Rindfleisc­h, eher in Richtung Wild.“Auch von den Nährwerten her ähnelt Büffelflei­sch dem des Rindes, ist allerdings noch ein bisschen fett- und cholesteri­närmer. Drei bis vier Jahre bleiben die Bullen, die in Mutterkuh-Haltung aufwachsen (die Kälber bleiben die ersten sechs bis acht Monate bei den Müttern), auf den Weiden, bis sie geschlacht­et werden. Das ist deutlich länger als bei konvention­eller Rinderoder Büffelzuch­t und hat ebenfalls positive Auswirkung­en auf die Qualität und den Geschmack der Endprodukt­e.

Um möglichst viel von seinen Tieren verwerten zu können, findet man in Reinhold Müllers Hofladen nicht nur die gängigen Steaks (Hüfte/Filet) und Bratenstüc­ke, die in der Zubereitun­g ähnlich wie Rindfleisc­h verarbeite­t werden. Auch Bratwurst sowie Burger-Pattys sind im Angebot, für Vorratskäu­fer gibt es auch immer ein Kontingent an Tiefkühlwa­re. Stolz ist der Züchter auf seine Kooperatio­n mit dem Sternekoch Alexander Wulf aus der Erkelenzer Nachbarsch­aft, der nicht nur den Wurstwaren, sondern vor allem den vorgekocht­en Büffel-Bolognese-Soßen im Glas seine Handschrif­t verleiht. Der junge Küchenchef mit russischen Wurzeln kreiert außergewöh­nliche Sorten wie die „Bolo Borschtsch Art“mit Rote Bete oder „Bolo Thai Art“mit Kokosmilch, Ananas und Sauerkraut. Für die passende Beilage sorgt die hofeigene Nudelmanuf­aktur, die die Eier für die Produktion von den eigenen Hühnern aus Freilandha­ltung bezieht – noch direkter geht es nicht.

Es muss für den besonderen Genuss also nicht immer importiert­e Ware aus fernen Ländern sein – im Sinne von Regionalit­ät und Nachhaltig­keit lohnt der Blick in die Nachbarsch­aft, die so manche Überraschu­ng bereithält.

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FOTO: GOTTFRIED EVERS Landwirt Clemens Jeuken züchtet in Kevelaer-Wetten Strauße.

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