Exoten von nebenan
Zwei Landwirte aus dem Rheinland züchten Strauße und Wasserbüffel. Die Tiere werden auf großen Weiden gehalten, ihr Fleisch ist fett- und cholesterinarm und kräftig im Geschmack.
Kevelaer ist nicht Südafrika und Wegberg nicht Südeuropa oder Asien – und doch finden eigentlich exotische Tiere wie Strauße und Wasserbüffel, die man nicht unbedingt am Niederrhein verortet, hier eine Umgebung, in der sie sich sichtlich wohlfühlen und gut gedeihen. „Auch in seiner Heimat ist der Strauß kühle Temperaturen, vor allem nachts, gewohnt. Sein dichtes Gefieder schützt ihn vor Kälte und Nässe“, erklärt Züchter Clemens Jeuken aus Kevelaer-Wetten. Er hält seine Vögel zudem auf großen Weiden, wo sie viel Auslauf haben, wie es für die Fluchttiere wichtig ist. Zwar vermarktet Jeuken hauptsächlich die Straußenküken, die er an andere Züchter weiterverkauft, aber in seinem Hofladen ist auch (am besten auf Vorbestellung) das Fleisch seiner Vögel, das ein Metzger aus der Region für ihn vorbereitet, erhältlich.
„Straußenfleisch schmeckt ähnlich wie Rind oder Wild, kräftig-intensiv, und hat dabei die positiven Eigenschaften von Geflügel“, fasst der erfahrene Züchter das Wichtigste zusammen. Tatsächlich ähnelt das rote Fleisch in Farbe und Textur sehr dem Rind, ist dabei aber äußerst mager und cholesterinarm. Dazu können bewusste Genießer sich über einen hohen Proteingehalt freuen. Etwa ein bis eineinhalb Jahre alt werden die Tiere, bevor sie geschlachtet werden. Dabei ist interessant, dass Strauße als Laufvögel, anders als anderes Geflügel, kein Brustfleisch haben. Verwendet wird das Filet aus dem Rücken zum Beispiel für Steaks sowie das Fleisch der Keulen für Braten oder Gulasch.
Züchter Clemens Jeuken hat inzwischen viel Erfahrung nicht nur bei der Haltung der Vögel, sondern auch bei der Zubereitung des Fleisches gesammelt. Er empfiehlt: „Das Fleisch für ein Steak sollte relativ dünn, ein bis zwei Zentimeter breit geschnitten werden. Dann nur wirklich ganz kurz von jeder Seite anbraten, die Hitze reduzieren, einen Deckel auf die Pfanne legen und die Steaks wenige Minuten nachziehen lassen.“
Genauso funktioniert es auch auf einem Grill mit Deckel. Es braucht vielleicht ein bisschen Übung, es auf den Punkt hinzubekommen, da durch den geringen Fettanteil das Fleisch leicht ein bisschen zu trocken gerät, aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Einen Straußenbraten oder ein Gulasch bereitet man ebenso unkompliziert wie bekannte Braten aus anderen Fleischsorten zu: Fleisch anbraten, mit Flüssigkeit wie Brühe oder Wein aufgießen und schmoren lassen, bis es weich ist. Das dauert bei einem Braten von einem Kilogramm etwa eine bis eineinhalb Stunden.
Wer noch auf der Suche nach einer Vorspeise oder Beilage ist: Jeuken vermarktet im Frühjahr auch die Straußeneier, von denen eines bis zu anderthalb Kilo wiegen kann. Der Inhalt entspricht etwa 25 Hühnereiern, sodass sich daraus problemlos Omelette für mehrere Personen herstellen lassen.
Nachhaltigkeit, bestmögliche Verwertung seiner Tiere und Bio-Qualität sind auch das Credo von Wasserbüffel-Züchter Reinhold Müller aus Wegberg. Seine robusten Tiere, die ursprünglich aus Südeuropa stammen und heute noch dort sowie in Feuchtgebieten in Asien leben, vertragen das hiesige Klima bestens und verbringen das ganze Jahr draußen auf Naturschutz-Weiden. „Büffel sind wenig wählerisch“, sagt Reinhold Müller: „Sie fressen nicht nur Gras, sondern auch alle Kräuter und Unkräuter, sogar Brennnesseln. Im Winter wird Heu zugefüttert.“
Was es nicht gibt, sind zusätzliches Kraftfutter, Vitamine oder gar Medikamente. Und das wirkt sich auf die bio-zertifizierte Fleischqualität aus. „Büffelfleisch hat einen kräftigen, intensiven Eigengeschmack, für den man bei der Zubereitung kaum noch Gewürze braucht“, erläutert der Züchter, „es schmeckt intensiver als Rindfleisch, eher in Richtung Wild.“Auch von den Nährwerten her ähnelt Büffelfleisch dem des Rindes, ist allerdings noch ein bisschen fett- und cholesterinärmer. Drei bis vier Jahre bleiben die Bullen, die in Mutterkuh-Haltung aufwachsen (die Kälber bleiben die ersten sechs bis acht Monate bei den Müttern), auf den Weiden, bis sie geschlachtet werden. Das ist deutlich länger als bei konventioneller Rinderoder Büffelzucht und hat ebenfalls positive Auswirkungen auf die Qualität und den Geschmack der Endprodukte.
Um möglichst viel von seinen Tieren verwerten zu können, findet man in Reinhold Müllers Hofladen nicht nur die gängigen Steaks (Hüfte/Filet) und Bratenstücke, die in der Zubereitung ähnlich wie Rindfleisch verarbeitet werden. Auch Bratwurst sowie Burger-Pattys sind im Angebot, für Vorratskäufer gibt es auch immer ein Kontingent an Tiefkühlware. Stolz ist der Züchter auf seine Kooperation mit dem Sternekoch Alexander Wulf aus der Erkelenzer Nachbarschaft, der nicht nur den Wurstwaren, sondern vor allem den vorgekochten Büffel-Bolognese-Soßen im Glas seine Handschrift verleiht. Der junge Küchenchef mit russischen Wurzeln kreiert außergewöhnliche Sorten wie die „Bolo Borschtsch Art“mit Rote Bete oder „Bolo Thai Art“mit Kokosmilch, Ananas und Sauerkraut. Für die passende Beilage sorgt die hofeigene Nudelmanufaktur, die die Eier für die Produktion von den eigenen Hühnern aus Freilandhaltung bezieht – noch direkter geht es nicht.
Es muss für den besonderen Genuss also nicht immer importierte Ware aus fernen Ländern sein – im Sinne von Regionalität und Nachhaltigkeit lohnt der Blick in die Nachbarschaft, die so manche Überraschung bereithält.